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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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PAN Germany Projekt - Tierarzneimittel

Forderungen für einen besseren Schutz der Umwelt vor Belastungen mit Tierarzneimitteln

Tierarzneimittel-Rückstände in der Umwelt belasten Böden, Gewässer und Lebensgemeinschaften.

Auszug aus: Forderungen für einen besseren Schutz der Umwelt vor Tierarzneimittel-Belastungen, Positionspapier (pdf-file, 410 kb)

Die Europäische Union bekennt sich zum Schutz ihrer natürlichen Lebensgrundlagen, der Umweltschutz ist in den Zielen der Tiergesundheitsstrategie der Europäischen Union verankert . Die Umsetzung der nachfolgenden Forderungen kann aus Sicht von PAN Germany dazu beitragen, die bestehenden Defizite zu entschärfen und damit zu den übergeordneten Zielen der EU, dem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und dem Erhalt der biologischen Vielfalt, dem Gewässerschutz, dem Verbraucherschutz und dem Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier beizutragen.

Mehr Umweltschutz bei der Zulassung verankern

  • Einsatz von Tierarzneimitteln ohne Umweltprüfung stoppen: Einführung eines Review-Programms für die Überprüfung der Umweltwirkung aller Alt-Wirkstoffe
  • Einführung einer verbindlichen regelmäßigen Überprüfung der Umweltwirkung bereits zugelassener Arzneimittel nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft im Intervall von 10-15 Jahren.

Hintergrund: Viele Tierarzneimittel, die angewendet werden, wurden vor der Einführung der verbindlichen Umweltverträglichkeitsprüfung zugelassen . Für diese Alt-Wirkstoffe hat nie eine Umwelt-Risikoabschätzung stattgefunden. Wurde für zugelassene Tierarzneimittel dem Antrag auf Verlängerung der Zulassung nach einer ersten Zulassungsphase von 5 Jahren zugestimmt, sind diese Tierarzneimittel - anders als beispielsweise Pestizide oder Biozide - i.d.R. unbegrenzt zugelassen. Regelmäßige Prüfintervalle sichern eine Bewertung nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Kenntnisstand. Das bestehende System der Pharmakovigilanz ist in seiner derzeitigen Ausgestaltung nicht geeignet, um mögliche negative Folgen des Tierarzneimitteleinsatzes auf die Umwelt abzuschätzen.

Keine Zulassung besonders umweltgefährlicher Wirkstoffe

  • Festschreibung eines Verfahrens zur Identifizierung von Stoff-Kriterien, die einen Stoff als "besonders gefährlich" definieren.
  • Festschreibung eines Verfahrens zum zukünftigen Ausschluss besonders gefährlicher Wirkstoffe von der Zulassung.

Hintergrund: In anderen Rechtsbereichen wie dem Pestizid- und Biozidrecht hat man erkannt, dass bei besonders gefährlichen Stoffen eine strenge Restriktion notwendig ist, da ein effektiver Gesundheits- oder Umweltschutz nur garantiert werden kann, wenn diese Stoffe zukünftig von der Zulassung und somit auch von der Verwendung ausgeschlossen werden. Für die Zulassung von Tierarzneimitteln fehlen solche Ausschlusskriterien bislang. Wirkstoffe gelten beispielsweise dann als besonders umweltgefährlich, wenn sie als persistent, bioakkumulativ und toxisch (PBT-Stoffe) oder als sehr persistent und sehr bioakkumulativ (vPvB-Stoffe) eingestuft sind.

Transparenz schaffen: Verbrauchsmengen von Tierarzneimitteln erfassen und veröffentlichen

  • Veröffentlichung von Daten über Absatzmengen (Inlandsabsatz/Export), zu Anwendungsmengen sowie zu Kontrollen der Verwendung und des Handels mit Tierarzneimitteln.
  • Verpflichtung für EU Mitgliedstaaten Tierarzneimittel-Kontrollprogramme aufzulegen, die jährlich frei zugänglich veröffentlicht werden. (Orientierung am Pflanzenschutz-Kontrollprogramm ). Hierin sind Informationen zum Kontrollverfahren (Häufigkeit, Zeitpunkte etc.), zum Kontrollumfang und zu Verstößen zu dokumentieren.
  • Fütterungsarzneimittel sind im Tierarzneimittelgesetz mit zu erfassen und ins Kontrollprogramm aufzunehmen.

Hintergrund: Über den tatsächlichen mengenmäßigen Einsatz von Tierarzneimitteln gibt es in den Mitgliedstaaten nur lückenhafte oder gar keine Informationen. Öffentlichkeit und Wissenschaftler haben unzureichenden Zugang zu Anwendungsdaten (Anwendungsmuster, Anwendungsmengen, Wirkstoffe) und dem Gefährdungspotential der Stoffe. Transparenz ist die Grundlage für eine effektive Umweltüberwachung und ein wirkungsvolles Risiko-Management.

Umweltmonitoring einführen - Tierarzneimittelrückstände erfassen

  • Einführung eines verpflichtenden Umwelt-Monitorings für Tierarzneimittel (Gewässer, aquatische Zönosen, Böden, Sedimente).
  • Veröffentlichung der Monitoringdaten in einer Datenbank. Die Daten sind zur weiteren Auswertung und Nutzung frei zur Verfügung zu stellen.
  • Einbeziehung der Monitoring-Daten in das Pharmakovigilanz-System.

Hintergrund: Zwar dienen die Zulassungsprüfungen der Abschätzung von Wirksamkeit und Risiken von Tierarzneimitteln, doch sind zum Zeitpunkt der Erst-Zulassung die Kenntnisse über die tatsächlichen Umweltwirkungen eines Tierarzneimittels unvollständig. Erst mit der praktischen Anwendung und der damit verbundenen Freisetzung in die Umwelt lässt sich das Bild über mögliche negative Wirkungen (u.a. Wechselwirkungen mit anderen Stoffen) und Prozesse (z.B. Anreicherungsprozesse) vervollständigen. Die Beobachtung der zugelassenen Mittel durch Monitoring und eine Rückkopplung der Monitoring-Ergebnisse mit der Zulassung sind somit von großer Bedeutung für die langfristige Bewertung eines Tierarzneimittels. Zwar besteht für Tierarzneimittel mit der Pharmakovigilanz ein System zur systematischen Erfassung und Bewertung unerwünschter Arzneimittelwirkungen, doch ist dieses System wenig geeignet, um Umweltbeeinträchtigungen herauszustellen. Auch die von den Pharmaunternehmen zu erstellenden regelmäßigen Berichte über die Unbedenklichkeit zugelassener Tierarzneimittel (Periodic Safety Update Report = PSUR) müssen nur bei "begründetem Verdacht" Umwelt-Studien beinhalten. Hier besteht aus Sicht eines vorsorgenden Umweltschutzes Nachbesserungsbedarf. Das Monitoring ist von unabhängiger Seite durchzuführen.

Lücken in der Umweltbewertung von Rückständen schließen

  • Umweltbewertung für Tierarzneimittelrückstände in Gärresten aufnehmen

Hintergrund: Auch in Gärresten von Biogasanlagen lassen sich Tierarzneimittelrückstände nachweisen. Eine Umweltbewertung solcher Rückstände in Gärresten fehlt bislang. Erkenntnisse über mögliche Umweltwirkungen durch die Ausbringung belasteter Gärrückstände fehlen.

Umweltverträglichere Alternativen fördern - Substitution von Tierarzneimitteln mit hoher Umweltrelevanz

  • Festlegung eines Verfahrens zur Substitution besonders gefährlicher Wirkstoffe.
  • Verweigerung der Zulassung, wenn umweltverträglichere Alternativen (Produkte/Verfahren) bestehen.
  • Verbindliche Ausstiegs- und Substitutionspläne mit definierten, zeitnahen Auslaufphasen für umweltgefährliche Produkte sind festzuschreiben.

Hintergrund: Die Frage nach umweltverträglicheren Alternativen zu besonders umwelt-gefährlichen Wirkstoffen (Wirkstoffen mit hoher Umweltrelevanz), ist bereits im Rahmen der Zulassung zu stellen. Die Umsetzung des Substitutionsprinzips ist im Wesentlichen von der Verfügbarkeit alternativer Wirkstoffe und alternativer Verfahren abhängig. Eine ernsthafte Durchsetzung des Substitutionsprinzips setzt somit eine Förderung von Alternativen (Produkte und Verfahren) voraus.

Mehr Prävention durch Förderung der Tiergesundheit und artgerechte Tierhaltung

  • Förderung von Haltungsformen, die die Tiergesundheit fördern.
  • Förderung von Umstellung auf artgerechte Haltungsformen.
  • Forschungsförderung im Bereich Tiergesundheit / artgerechte Haltung.
  • Forschungsförderung von umweltschonenden Arzneimitteln und Verabreichungsformen.

Hintergrund: Der Einsatz von Tierarzneimitteln ist u.a. von der Haltungsform, Mastzeiträumen, Fütterung, Grad der Spezialisierung des Betriebs und anderen Faktoren abhängig. Strategien zur Eindämmung des Einsatzes von Tierarzneimittel müssen daher auch Strategien beinhalten, die außerhalb des Tierarzneimittelrechts "vorbeugend" wirksam sind. Hier sind integrierte Konzepte zum Erhalt der Tiergesundheit gefordert. Auch die Suche nach umweltverträglicheren Präparaten zählt hierzu.

Gewässer besser vor Tierarzneimitteleinträgen schützen - Kohärenz zum Gewässerrecht schaffen

  • Festschreibung von Grenzwerten für Tierarzneimittel in Gewässern und Überwachung deren Einhaltung.
  • Aufnahme problematischer Tierarzneimittel in die Liste der prioritären Stoffe (Wasserrahmenrichtlinie).

Hintergrund: Gewässer und aquatische Lebensgemeinschaften sind in besonderer Weise durch den Eintrag von Tierarzneimitteln gefährdet. Auf EU-Ebene gibt es derzeit keine verbindlichen Grenzwerte für Arzneimittelwirkstoffe in Oberflächen- und Grundwasser.

Antibiotika-Einsatz reduzieren und Resistenzen vorbeugen

  • Jährliche Veröffentlichung der Daten zur Antibiotika-Abgabe und des Antibiotika-Einsatzes durch die Mitgliedstaaten.
  • Einführung spezifischer Kontrollen und transparenter, zeitnaher Berichterstattung über die Anwendung von Antibiotika im Rahmen eines Tierarzneimittel-Kontrollprogramms (s.o.).
  • Verbot des Einsatzes wichtiger Human-Antibiotika in der Tierhaltung und -mast.
  • Festlegung eines verbindlichen Zeitplans für ein lückenloses Verbot der prophylaktischen Anwendung aller Antibiotika.
  • Klare Zielvorgabe für die mengenmäßige Reduktion des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung und -mast.
  • Verbesserte Überwachung resistenter Keime bei Nutztieren und deren Fleisch durch Einführung eines entsprechenden Monitorings durch die Mitgliedstaaten.
  • Berücksichtigung des Problems der Antibiotika-Resistenzbildung in der Umweltbewertung im Rahmen der Zulassung.

Hintergrund: Die Behandlung schwerwiegender bakterieller Krankheiten wird weltweit zum Problem, weil immer mehr Bakterienstämme resistent gegen Antibiotika sind. Anwendungsmuster, -dauer und die Menge der eingesetzten Antibiotika haben Einfluss auf das Auftreten resistenter Keime. Die verbreitete hohe Anwendung antibiotischer Mittel in der Viehwirtschaft hat das Risiko von Resistenzbildungen erhöht. Eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes hat nach Meinung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) Priorität. Als besonders problematisch gilt die Verwendung von Antibiotika der 3. und 4. Generation in der Viehhaltung, da diese als "Reserveantibiotika" für die Humanmedizin bedeutsam sind. Die Veröffentlichung von Daten zum Einsatz von Antibiotika (Produktkategorie, Dosierung, Anwendungsdauer und Tierart) ist notwendig, um zu überprüfen, ob Reduktionsziele erreicht werden, Maßnahmen greifen und Risiko-Management-Strategien anzupassen sind.

Öffentlichkeit und Anwender besser informieren

  • Einführung einer Verpflichtung für Mitgliedsstaaten öffentliche Räume zu schaffen (z.B. im Internet), um Bevölkerung und Hauptanwender (Tierhalter, Tierärzte, Berater, etc.) über Vorsorgemaßnahmen und umweltfreundlichere Alternativverfahren zu informieren.
  • Einführung einer verpflichtenden Schulung zur Sachkunde für professionelle Tierhalter, die Umweltaspekte mit einbezieht sowie die regelmäßige Überprüfung der Sachkunde.
  • Der Handel und die Anwender sind in Bezug auf den Umwelt- und Gesundheitsschutz umfassend zu beraten und zu überwachen.
  • Sicherstellung einer Industrie-unabhängigen Beratung von Tierärzten und -haltern.

Hintergrund: Über die Umweltrisiken des Einsatzes von Tierarzneimitteln ist noch wenig bekannt. Umweltfragen spielen bei der Wahl der Behandlung noch keine Rolle. Die Unkenntnis über mögliche Folgen der Umweltbelastung mit Tierarzneimitteln ist groß. Tierärzte und Tierhalter sollten nicht nur sachkundig sein wenn es darum geht, wie ein Arzneimittel anzuwenden ist, sondern auch bei der Vermeidung von Umweltbelastungen durch Tierarzneimittel. Um dies zu erreichen, ist auch eine unabhängige Beratung von Tierärzten und Tierhaltern durch entsprechende Beratungsstellen sicherzustellen.

Mehr zum Thema

PAN Germany (2012): Tierarzneimittel und Umweltschutz. Zulassung und Verwendung von Tierarzneimitteln in der EU - Rechtlicher Rahmen und Empfehlungen für einen besseren Schutz der Umwelt vor Belastungen mit Tierarzneimitteln. Download und weitere Informationen unter: http://www.pan-germany.org/deu/projekte/tierarzneimittel.html

Umweltbundesamt (2011): Workshop Monitoring Arzneimittel. Ergebnisse des UBA-Workshops: Monitoring von Arzneimitteln in der Umwelt - Notwendigkeit, Erfahrungen, und Perspektiven für die Arzneimittelzulassung am 14./15.09.2011. Online unter https://www.umweltbundesamt.de/chemikalien/arzneimittel/workshop_monitoring_arzneimittel.htm (Externes Angebot)

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zum Thema Tierarzneimittel-Zulassung online unter http://www.bvl.bund.de/DE/05_Tierarzneimittel/tam_node.html (Externes Angebot)

Europäische Kommission Generaldirektion Gesundheit & Verbraucher. Online-Information zur Revision der Tierarzneimittelgesetzgebung unter http://ec.europa.eu/health/veterinary-use/rev_frame_index_en.htm (Externes Angebot)

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