Wer vor 2011 wissen wollte, wie hoch der Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung ist, musste sich mit Schätzungen, regionalen Daten oder Hochrechnungen zufrieden geben. Erst seit 2011 verpflichtet das Arzneimittelgesetz pharmazeutische Unternehmer und Großhändler dazu, die Menge an antimikrobiell wirksamen Substanzen, die sie an Tierärzte abgeben, zu melden. Das Bundesamt für Risikobewertung (BVL) wertet die Daten aus und veröffentlicht sie (1). Positiv ist zu bewerten, dass mit dem Meldeverfahren und der Veröffentlichung der Daten ein wichtiger erster Schritt in Richtung zu mehr Transparenz gemacht wurde – wenigstes für den Bereich Antibiotika. Doch es bleiben erhebliche Mängel bestehen, denn die Abgabenerfassung ermöglicht keine Aussagen zur Antibiotikaverwendung bei verschiedenen Tiergruppen oder zu Behandlungshäufigkeiten. mehr dazu im PAN Blog
In NRW konnte bei 9 von 10 Masthühnern ein Einsatz von Antibiotika festgestellt werden. Dabei dürfen Antibiotika nur zum Zweck der Behandlung von erkrankten Tieren eingesetzt werden, wenn dies aus therapeutischen Gründen geboten ist. Sowohl der Einsatz von Antibiotika zur Wachstumsförderung als auch der präventive Einsatz ist verboten. Es ist allerdings auffällig, dass seit dem Verbot von Antibiotika als Futtermittelzusatzstoffe in der Europäischen Union (EU) 2006, die aus therapeutischen Gründen verschriebenen Antibiotikamengen deutlich gestiegen sind. Dieser Sachverhalt und die zum Teil beobachteten sehr kurzen Verabreichungszeiträume nähren jedoch den Verdacht, dass nach wie vor Antibiotika unter dem Vorwand einer therapeutischen Nutzung als Masthilfe eingesetzt werden.
Der enorme Einsatz von Antibiotika besonders in der Tiermast ist ein ökologisches und gesundheitliches Problem. Antibiotika Rückstände in der Umwelt stehen im Verdacht, Resistenzen bei pathogenen Bakterienstämmen zu verursachen. Als Verursacher für zunehmende Resistenzen gälten der falsche Umgang mit Antibiotika, fehlender Wirkstoffwechsel und v.a. der hohe Einsatz von Antibiotika in der intensiven Tierhaltung. Sich ausbreitende Antibiotika-Resistenzen stellen für die erfolgreiche Behandlung bakteriologischer Erkrankungen ein ernsthaftes Problem dar. Als besonders problematisch wird die Verwendung von Antibiotika der 3. und 4. Generation zur Behandlung von Tieren angesehen, da diese Wirkstoffe als "Reserveantibiotika" für die Humanmedizin von großer Bedeutung sind. Landwirte gelten daher per se als Risiko im Krankenhaus, da sie oft Überträger multirestistenter Keime wie MRSA sind.
Ein Großteil der in der Tierhaltung eingesetzten Wirkstoffe gelangt über die Ausscheidungen der behandelten Tiere in die Umwelt und findet sich als ökotoxikologisch bedenkliche Rückstände in Böden und Gewässer wieder. Im Sommer 2012 wurden zum ersten Mal bundesweite Daten zum Absatz von Antibiotika veröffentlicht. Demnach sind im Jahr 2011 rund 1.734 Tonnen Antibiotika an Tierärzte in Deutschland abgegeben worden. Auch Bundesministerin Ilse Aigner spricht im Zusammenhang mit der Verschärfung des Arzneimittelgesetzes zur schärferen Kontrolle des Antibiotikaeinsatzes in der Tierhaltung von "übermäßigen Einsatz von Tierarzneimitteln". Besonders hoch ist der Einsatz von Antibiotika in Rinder-, Schweine und einigen Geflügel-Mastbetrieben. Da jeder Antibiotika-Einsatz die Resistenz fördern kann, wundert es nicht, dass im Rahmen des jährlichen Resistenzmonitorings gerade für diese Bereiche besonders hohe Resistenzraten gegen wichtige Antibiotikagruppen nachgewiesen wurden. Dies verdeutlicht nicht nur den Zusammenhang zwischen mengenmäßigen Antibiotika-Einsatz und dem Auftreten von Resistenzen sondern es zeigt auch die Bedeutung der Haltungsform für die Resistenzbildung. Das Problem zunehmender Resistenzen gegenüber Antibiotika hat längst weltweite Dimension. Durch nationale, europäische und internationale Strategien zur Eindämmung der Resistenzen wird versucht, dem Problem zu begegnen.
Die im September 2012 beschlossene Änderung des Arzneimittelgesetzes in Deutschland, mit dem Ziel, den Antibiotika-Einsatz in der Tierhaltung deutlich zu reduzieren, enthält wichtige Verpflichtungen zur Dokumentation. Dass allerdings Dokumentationspflichten und Kontrollen durch die Landesbehörden zu einer Reduktion des Antibiotikaeinsatzes führen, wird von PAN aufgrund der Erfahrungen im Pestizidbereich kritisch hinterfragt: Auch der Pestizidinlandsabsatz wird jährlich dokumentiert und die Landesbehörden überwachen die Anwendung des Pestizideinsatzes. Dennoch ist es - trotz Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz und Nationalem Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln - seit 2002 zu einem mengenmäßigen Anstieg des Inlandsabsatzes an Pestizid-Wirkstoffen um 26,5 % gekommen.
In der Tierhaltung und Tiermast eingesetzte Arzneimittel belasten Gewässer,
Böden und finden sich als Rückstände in Lebensmitteln. Aktuell wird gerade das europäische Tierarzneimittel-Recht überarbeitet. Die
Broschüre "Tierarzneimittel und Umweltschutz" informiert über Inhalte der bestehenden gesetzlichen Regelungen und über die Ziele der
Gesetzesreform. Defizite aus Sicht eines vorsorgenden Umweltschutzes werden herausgestellt
und Empfehlungen für eine bessere Verankerung des Umweltschutzes im Tierarzneimittelrecht ausgesprochen.
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