Dieses Faltblatt richtet sich an Einkäufer in Kommunen und Behörden, öffentlichen und privaten Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, Altenheimen oder Universitäten und an privatwirtschaftliche Unternehmen, die ein Interesse daran haben, die Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen nach dem Prinzip der Nachhaltigkeit auszurichten. Eine nachhaltige Einkaufspolitik dient dem Umwelt- und Gesundheitsschutz und schont die Lebensressourcen künftiger Generationen.
Achten Sie deshalb bei der Beschaffung darauf, soweit möglich, auf Produkte mit gefährlichen Inhaltsstoffen zu verzichten. Wir möchten Ihre Aufmerksamkeit auf eine besondere Gruppe von potenziell gefährlichen Chemikalien richten, auf die sogenannten Biozide.
Informationen der Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung beim Beschaffungsamt des BMI: www.nachhaltige-beschaffung.info
Biozidprodukte enthalten chemische oder biologische Wirkstoffe und werden gegen Schädlinge und Lästlinge wie z.B. Bakterien, Viren, Algen, Pilze oder Insekten eingesetzt. Dazu zählen Desinfektionsmittel, Schädlingsbekämpfungsmittel oder Schutzmittel für Holz, Fassaden, Textilien oder Kunststoffe.
Problematisch ist der Trend, Biozide zunehmend in alltäglichen Gebrauchs-, Büro- und Bauartikeln einzusetzen, um sie mit besonderen Funktionen auszustatten ("biozidbehandelte Waren"). So werden Oberflächen von Bodenbelägen, Aktenordnern oder PC-Tastaturen zusätzlich antibakteriell beschichtet oder Textilien mit einem Geruchsstopp ausgerüstet. Experten und Fachbehörden warnen. In der Regel sind solche Ausrüstungen für die Hygiene gänzlich unnötig, verursachen andererseits aber Risiken für Umwelt und Gesundheit.
Biozide sind potenziell gefährliche Substanzen, da es ihre Zweckbestimmung ist, Organismen zu schädigen. Dafür müssen sie ausreichend giftig und langlebig (persistent) sein. Selbst wenn Biozidprodukte behördlich geprüft und zugelassen sind, können von ihnen Risiken für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen, insbesondere bei unsachgemäßer Verwendung. In die Umwelt gelangen Biozide u.a. über das Abwasser.
Risiken gibt es auch bei unzureichender Wirksamkeit von Biozidprodukten oder biozidbehandelten Waren, wenn gleichzeitig
die herkömmliche Hygiene wie das Händewaschen vernachlässigt wird. Außerdem können Resistenzen gefördert werden, die bei Bakterien zu einer gefährlichen Unempfindlichkeit gegenüber Antibiotika führen können. Die Gesetzgebung (EU-Verordnung 528/2012/EG) fordert deswegen, den Biozideinsatz auf das notwendige Mindestmaß zu beschränken und wirksame, aber weniger bedenkliche Alternativen stets zu bevorzugen.
Informationen der Bundesbehörden zu Bioziden: www.biozid.info, www.biozid-portal.de
Für die Händehygiene reicht im Alltag Seife aus. Alkoholische Händedesinfektionsmittel können starke Reizungen und Allergien verursachen. Ihre sichere und wirksame Anwendung muss erlernt werden und ist zudem nur in bestimmten Bereichen des Gesundheitswesens und der Lebens mittelverarbeitung notwendig. Ihre vorsorgliche Bereitstellung für ungeschulte Laien, z.B. in öffentlichen Waschräumen von Behörden, sollte daher unterbleiben bzw. nur im akuten Notfall nach Anweisung gemäß Infektionsschutzgesetz bereit- gestellt werden. Auf antibakterielle Seifenlotionen sollte generell verzichtet werden,da Gesundheitsvorteile im Vergleich zur klassischen Seife nicht bewiesen, aber gefährliche Bakterienresistenzen möglich sind.
Informationen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: www.infektionsschutz.de
Die klassischen Reinigungsmittel sind hygienisch ausreichend. Antibakterielle Spezialreiniger und Hygienespüler für die Textilreinigung sind nicht notwendig. Sie können zu gefährlichen Bakterienresistenzen und Umweltbelastungen führen. Eine Flächendesinfektion ist nur in hygienisch sehr anspruchsvollen Bereichen (z.B. Schwimmbädern) auf Basis eines Hygieneplans oder im akuten Einzelfall nach Anordnung gemäß Infektionsschutz- gesetz notwendig. Achten Sie auf ausreichend Sachkunde des eigenen oder extern beauftragten Reinigungspersonals.
EU-Umweltzeichen "Reiniger" (2011/383/EU)
Sehen Sie vom Einkauf antibakteriell ausgerüsteter Büroartikel wie PC-Tastaturen, Mousepads, Stiften, Aktenordnern und von biozidhaltigen Textilien ab. Eine biozide Ausrüstung z.B. mit Silber, ist bei Einhaltung üblicher Hygienestandards nicht nötig. Ein Infektionsrisiko gegenüber Krankheitskeimen über den Kontakt mit Gegenständen ist vernachlässigbar. Es drohen u.a. auch hier gefährliche Bakterienresistenzen.
Blauer Engel "Tastaturen" (RAL-UZ 78b)
Achten Sie bei Holzmöbeln auf eine emissionsarme Ausstattung und verzichten Sie auf eine Behandlung mit Bioziden. Ausgenommen sind bestimmte Topfkonservierer in wässrigen Beschichtungsstoffen und Leimen.
Blauer Engel "Möbel" (RAL-UZ 38), "Lacke" (RAL-UZ 12a)
Merkblätter des UBA: "Entscheidungshilfen zur Verringerung des Biozideinsatzes an Fassaden":www.tinyurl.com/npy3b38
Achten Sie auf Produktbeschreibungen wie z.B. "wirkt antibakteriell", "hemmt Gerüche", "besitzt Hygieneschutz", "ist filmgeschützt", "schützt gegen Algen- und Pilzbewuchs" oder gegen andere Schädlinge. Achten Sie auf den gesetzlich vorgeschriebenen Werbehinweis für Biozidprodukte: "Biozidprodukte vorsichtig verwenden. Vor Gebrauch stets Etikett und Produktinformationen lesen."
Biozidprodukte tragen immer eine Kennung, entweder eine Zulassungs-Nr. (z.B. DE-000XXXX-000X) oder eine Registrierungs-Nr. (ein "N" mit 5-stelligen Zahlencode).
Biozidprodukte müssen immer die enthaltenen Wirkstoffe mit ihren Konzentrationen angeben.
Achten Sie auf entsprechende Produktbeschreibungen, allerdings gelten die obigen Vorschriften für Kennzeichnung und Werbung hier nicht. Seit September 2013 gibt es folgende Informationsrechte für behandelte Waren:
Achten Sie auf bestimmte Markennamen hinter denen sich Biozidbehandlungen verbergen. Beispielsweise ist die Marke Microban ® Marktführer bei der Ausrüstung antibakterieller Kunststoffprodukte und Sanitized ® bei behandelten Textilien. Oft vertreibt ein Anbieter Produktlinien mit und ohne Biozidbehandlung (z.B. Mousepads mit und ohne Microban ® - Technologie).
Umweltlabel unterliegen sehr unterschiedlichen Kriterien. Beispielsweise sind unter dem OEKO-TEX 100 Siegel antibakterielle Ausrüstungen von Textilien erlaubt, während das neue europäische Umweltsiegel dies für Textilien nicht gestattet (2014/350/EU), sie jedoch für Matratzen nicht ausschließt (2014/391/EU). Nutzen Sie Ihre neuen Informationsrechte gegenüber den Anbietern und achten Sie auf Biozidkriterien bei Gütesiegeln. www.label-online.de, www.eu-ecolabel.de, www.blauer-engel-produktwelt.de
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