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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Kein Verbot hochgefährlicher Biozide?

30.06.2010, PAN Germany, Christian Schweer

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Mai / Juni 2010

Der für die Biozid-Verordnung federführend zuständige Umweltausschuss des Europäischen Parlaments (EP) wird nach mehreren Termin-Verschiebungen voraussichtlich Ende Juni 2010 seine Position zum Gesetzentwurf der EU-Kommission beschließen. PAN Germany begrüßt einige Vorschläge zugunsten des Umwelt- und Gesundheitsschutzes, warnt aber vor weitreichenden Ausnahmen für hochgefährliche Biozide.

Der EP-Umweltausschuss wird in seiner kommenden Sitzung über 580 Änderungsanträge zum Kommissionsentwurf einer EU-Biozid-Verordnung entscheiden. Zudem sind auch die Beratungsergebnisse der EP-Ausschüsse für Industrie und Verbraucherschutz zu berücksichtigen, die im April 2010 ihr Votum für eine EU-Biozid-Verordnung abgegeben hatten.

Geht es nach diesen beiden Gremien, werden die Verbraucher und die Umwelt noch weniger vor besonders bedenklichen Insektiziden, Desinfektionsmitteln oder Rattengiften geschützt werden, als es der ohnehin schwache Kommissionsentwurf vorsieht. Ein entsprechender Änderungsantrag liegt auch dem Umweltausschuss zur Abstimmung vor, ohne dass dieser in den bisherigen parlamentarischen Beratungen hinreichend hinterfragt oder kritisch diskutiert wurde. Die Antragssteller unterstützen die weitere Vermarktung von Bioziden mit hormonell wirksamen, krebserregenden oder weiteren gefährlichen Eigenschaften, auch wenn diese Chemikalien für die Vorbeugung oder Bekämpfung von gefährlichen Infektionskrankheiten nicht zwingend erforderlich sind.

Hochgiftige Wirkstoffe können auf Grundlage dieser vagen Klausel selbst für Kinderspielplätze, Trinkwasseranlagen oder gegen gefährdete Fisch- und Vogelarten eingesetzt werden. Dagegen werden Standards für ein sorgfältiges Zulassungsverfahren einschließlich einer vollständigen Alternativenprüfung nicht von den Befürwortern vorgeschlagen. So ist vor der Zulassung eines gefährlichen Biozids nicht der Nachweis zu erbringen, dass es in Europa oder weltweit an nicht-chemischen Maßnahmen zur Vorsorge noch mangelt. Und es fehlt die Vorbedingung, dass verträglichere Optionen der Schädlingsbekämpfung systematisch ermittelt, geprüft, dokumentiert und grundsätzlich zu bevorzugen sind, ehe für Gesundheit und Umwelt schädigende Wirkstoffe als EU-weit erlaubte Biozide gelistet werden.

Folglich könnten auch Rattengifte weiterhin breit eingesetzt werden, etwa zur Verhinderung von Kabelbränden. Dabei gibt es durchaus unbedenkliche Lösungen, um Ratten von Stromkabeln fern zu halten. Zudem dürften Insektizide, die aufgrund ihrer gefährlichen Eigenschaften bereits für den Pflanzenschutz verboten sind, und für die Alternativen längst vorliegen, auch zukünftig in herkömmlichen Insekten-Sprays eingesetzt werden.

Fraglich bleibt, ob selbst die Mindestanforderungen anderer Chemikalien-Vorschriften der EU (z.B. REACH) in der Verordnung Berücksichtigung finden werden. Nach diesen Standards muss für die Zulassung von hochgefährlichen Wirkstoffen sichergestellt sein, dass die Stoffe konsequent ersetzt werden, und die Exposition von Arbeitnehmern und Umwelt begrenzt und überwacht wird.

Nicht nur hinsichtlich des Verbotes besonders schädlicher Biozide bleibt ungewiss, ob die Umweltausschuss-Mitglieder den Kommissionsentwurf nachbessern werden. Beim Substitutionsprinzip (d.h. Ersatz von gefährlichen Biozid-Wirkstoffen durch weniger bedenkliche oder unbedenkliche Lösungen der Schädlingskontrolle) drohen Rückschritte. Regelungen, die auf den Austausch von Immun- und Nervengiften abzielen, werden abgelehnt. Deutsche EU-Abgeordnete schlagen sogar vor, den Einsatz nicht-chemischer Alternativen zu behindern und eine verharmlosende Bewerbung problematischer Mittel zu erlauben.

PAN Germany und weitere NGOs sehen in diesen Bestrebungen einen starken Rückschritt für den Verbraucher- und Umweltschutz. Aus Sicht der Umwelt- und Gesundheitsschutzverbände muss der Kommissionsentwurf deutlich nachgebessert werden. Anträge, die dieses beabsichtigen, müssen eine breite Unterstützung im Umweltausschuss erhalten. Ein striktes Verbot von hochgefährlichen Bioziden ist genauso wichtig wie intelligente Anreize für den verstärkten Einsatz ökologisch und gesundheitlich verträglicher Ansätze des Schädlingsmanagements. Zudem müssen EU-weit hinreichende Standards für die nachhaltige Anwendung von Bioziden zum Zuge kommen.

(Christian Schweer)

Die gemeinsame NGO-Position zu den Änderungsvorschlägen der Mitglieder des EP-Umweltausschusses finden Sie hier: http://www.pan-germany.org/deu/stellungnahmen.html

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