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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Vögel in Deutschland gefährdet

26.02.2010, PAN Germany, Susan Haffmans

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Januar / Februar 2010

Ende 2009 wurde der neue Statusbericht "Vögel in Deutschland" 2008 vorgestellt.1 In dem Bericht wird die Situation gefährdeter Vogelarten eingehend analysiert und den Ursachen der Bestandsveränderungen nachgegangen. Der Bestandsbericht macht vor allem deutlich: Artenschutzprogramme können zu positiven Bestandsentwicklungen beitragen, aber sie allein reichen nicht aus, um zu verhindern, dass sich die Bestände vieler Vogelarten weiterhin dramatisch verringern.

Insgesamt 110 heimische Vogelarten, das sind 42% unserer Vogelfauna, sind derzeit gefährdet. 21 Arten, die bisher noch nicht als gefährdet eingestuft wurden, sind mittlerweile auf der Vorwarnliste der Roten Liste, da sie in den letzten Jahren starke Bestandseinbußen hinnehmen mussten. Ohne nachhaltige Verbesserungen der Lebensbedingungen müssen diese Arten, darunter auch "Allerweltsarten" wie der Haussperling, voraussichtlich schon bald als gefährdet eingestuft werden. Auch Kiebitz, Turteltaube und Feldlerche, die noch vor wenigen Jahrzehnten weite Bereiche Deutschlands in hoher Dichte besiedelten, zeigen signifikant negative Trends. Beim Kiebitz hat der Bestandsverlust von annähernd 70% bedrohliche Ausmaße angenommen.

Wie gefährdet eine Vogelart ist, hängt maßgeblich von ihren Habitatansprüchen, ihrem Nistverhalten und ihrem Zugverhalten ab. Grundsätzlich gilt, dass so genannte "Habitatspezialisten", die auf heute weitgehend vernichtete Lebensräume (Moore, Heiden, Sandflächen und extensiv genutzte Feuchtgrünländer) angewiesen sind, besonders gefährdet sind. Beim Brutverhalten sind vor allem Bodenbrüter besonders gefährdet. Dazu zählen viele Arten der Kulturlandschaften, die unter der intensiven Flächenbearbeitung leiden. 47% der Bodenbrüter weisen einen Gefährdungsstatus auf, bei den Höhlenbrütern sind es hingegen 20%. Beim Zugverhalten gilt: Je weiter die Vögel in der kalten Jahreszeit ziehen, desto höher ist ihr Gefährdungsstatus.

Anhand von Erfolgsmeldungen beweist der Statusbericht aber auch, dass es Aussichten auf Verbesserung gibt. So konnten durch gezielte Schutzmaßnahmen Schwarzstorch, Seeadler, Wanderfalke und Uhu von der Roten Liste genommen werden, nachdem sie seit Jahrzehnten im Fokus des Naturschutzes und der Öffentlichkeit standen.

Solange die Intensität der Nutzung in großen Teilen unserer Landschaft weiter zunimmt und das Management in vielen Schutzgebieten verbesserungsbedürftig ist, werden teure und betreuungsintensive Artenhilfsprogramme unverzichtbarer Bestandteil auch moderner Naturschutzstrategien bleiben. Mittelfristiges Ziel muss dem Statusbericht zufolge sein, die Gefährdungsfaktoren auch außerhalb von Schutzgebieten zu minimieren.

Aufgrund ihrer hohen Bedeutung fungieren Vögel in der Politik als Indikator für Umweltschutzprogramme. Einer der zentralen Zustandsindikatoren in der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, die im November 2007 von der Bundesregierung beschlossen wurde, ist der Nachhaltigkeitsindikator für Artenvielfalt und Landschaftsqualität. Dieser wird aus den Bestandsgrößen von 59 Brutvogelarten berechnet. Dieser Nachhaltigkeitsindikator zeigt aktuell keine Verbesserung und liegt bei 70% des politisch festgesetzten Zielwertes für 2015. Sechs Teilindikatoren (Agrarland, Wälder, Siedlungen, Binnengewässer, Küsten/Meere, Alpen) repräsentieren die Hauptlebensräume in Deutschland und bilden in umfassender Weise die Landschaftsqualität und die Nachhaltigkeit der Landnutzung ab.

Da neben Vögeln auch andere Arten an eine reichhaltig gegliederte Landschaft mit intakten Lebensräumen gebunden sind, wird mit Hilfe des Indikators auch die Entwicklung zahlreicher weiterer Arten abgebildet. Um das angestrebte Ziel zu erreichen, müssen erhebliche zusätzliche Anstrengungen in allen Politikfeldern mit Bezug zum Natur- und Landschaftsschutz unternommen werden.

Der Teilindikator Agrarland (Vögel der Agrarlandschaften) ist von 73% in 2005 auf 67% im Jahr 2006 gesunken. Nahezu 60% der Arten des Agrarlandes werden als gefährdet eingestuft oder stehen auf der Vorwarnliste. Mit Kiebitz, Uferschnepfe und Feldlerche wird der Verlauf des Indikators für die Artenvielfalt durch die rückläufigen Trends von drei Arten mitbestimmt, die als Bodenbrüter besonders unter der Intensivierung der Landwirtschaft leiden und auf der Roten Liste stehen. Gefährdet ist auch das Braunkehlchen, bei dem sich die zunehmende Strukturarmut der Wiesen und Weiden sowie entlang von Wegen und Feldrändern bestandsmindernd auswirkt.

Als wichtigste Ursachen für den Rückgang der Artenvielfalt nennt der Statusbericht die Intensivierung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung, die Zerschneidung der Landschaft, die Versiegelung von Flächen sowie Stoffeinträge. Als weitere mögliche Gründe für den niedrigen Indikatorwert nennt der Bericht die verstärkte Umwandlung von Brachflächen und Grünland in Anbauflächen für nachwachsende Rohstoffe. Durch die rasante Änderung der wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen innerhalb weniger Jahre stehen die Vögel der Agrarlandschaft möglicherweise unmittelbar vor erneuten, weit reichenden Bestandsverlusten. Durch den Anstieg der Getreidepreise und die gleichzeitige Erhöhung des Flächenbedarfs für die Produktion von Energiepflanzen (vor allem Mais für die Biogasnutzung) ist der Druck auf die landwirtschaftliche Nutzfläche binnen kürzester Zeit erheblich gestiegen.

Eine erste Auswirkung dieser Entwicklung ist der Wegfall der Flächenstilllegungspflicht auf europäischer Ebene. Der Rückgang der Brachflächen wird sich negativ auf die Vogelbestände auswirken, die auf diese Refugien in der Normallandschaft angewiesen sind. Bereits spürbar ist der Verlust von Grünland. Viele der besonders bedrohten Vogelarten sind auf Wiesen spezialisiert. Es ist zu befürchten, dass Ausgleichszahlungen im Rahmen von Agrarumweltprogrammen in Zukunft immer weniger mit den Verdienstmöglichkeiten bei "normaler" Bewirtschaftung konkurrieren können, so dass in Zukunft entweder Landwirte ihr Interesse an entsprechenden Programmen verlieren werden, oder - falls der Mitteleinsatz pro Fläche erhöht wird - bei gleich bleibendem Budget weniger Fläche in die Programme aufgenommen werden kann. Die Bedeutung des Instruments "Vertragsnaturschutz" dürfte dadurch deutlich geschwächt werden. Daher fordern die Autoren des Statusberichts auch, dort anzusetzen, wo die finanziellen Weichen gestellt werden - bei der EU-Agrarpolitik: Angesichts der aktuellen Agrarpreisentwicklung und der zunehmenden Flächenkonkurrenz zwischen Energie- und Lebensmittelerzeugung fordert der Bericht, die zweite Säule der EU-Agrarpolitik (ländliche Entwicklung) mit effizienten und finanzstarken Förderprogrammen auszustatten und über Cross Compliance anspruchsvolle Umweltstandards zu definieren.

Um eine neue Intensivierungswelle mit einem zunehmenden Artenschwund in der Kulturlandschaft zu vermeiden, müssen die landwirtschaftlichen Subventionen eng an effektive Beiträge zum Schutz der biologischen Vielfalt gekoppelt werden. Ökologisch besonders effiziente Maßnahmen sollten bevorzugt gefördert werden (z. B. Naturschutz-Brachen, Erhaltung artenreichen Grünlands, Aufwertung der Ackerflur).

Auch der Anbau nachwachsender Rohstoffe sollte in Einklang mit einer naturverträglichen Landwirtschaft gebracht werden und finanzielle Förderungen an die Erbringung ökologischer Vorteile gebunden werden. Neben der Ausweisung von Schutzgebieten ist der Einführung nachhaltiger Landnutzungsformen und dem Schutz artenreicher Kulturlandschaften Priorität einzuräumen. Auf die Möglichkeit, über den Nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pestiziden eine Verbesserung für die Vogelbestände der Agrarlandschaften zu erwirken, geht der Bericht nicht ein.

(Susan Haffmans)

1 Sudfeldt, C., R. Dröschmeister, C. Grüneberg, S. Jaehne, A. Mitschke & J. Wahl (2008): Vögel in Deutschland - 2008. DDA, BfN, LAG VSW, Münster. http://www.bfn.de/ fileadmin/MDB/documents/ presse/ Statusreport2008.pdf und Statement von Frau Prof. Dr. Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zum Pressegespräch "Vögel in Deutschland 2008" am 18. November 2008 online unter (http://www.bfn.de/fileadmin /MDB/documents/presse/Statement_jessel_ Vogelmonitoring_1.pdf)

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