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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Gentechnik: Bio-Baumwolle in den Schlagzeilen - warum?

26.02.2010, PAN Germany, Alexandra Perschau

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Januar / Februar 2010

Ein Artikel der Financial Times Deutschland (FTD) veranlasste im Januar pünktlich zu mehreren Mode-Events einen medialen Aufruhr. Große Mengen gentechnisch veränderter Baumwolle seien als Bio-Ware zertifiziert und vermarket worden. Der Bericht war in verschiedener Hinsicht schlecht recherchiert, dennoch sorgte er für eine unbedingt zu führende Diskussion: Bio-Produkte und Gentechnik passen aus Verbrauchersicht nicht zusammen. Um die Glaubwürdigkeit der Bio-Produkte zu schützen, muss die gesamte Öko-Textilbranche den Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle als Problem erkennen. Über die Kontrollen der Zertifizierer hinaus müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die Gentechnikfreiheit sicherzustellen. Mehr Transparenz und verlässliche Partnerschaften zwischen den Baumwoll-Produzenten und den Baumwoll-Händlern sind als probate Instrumente geeignet, die es aber nicht zum Null-Tarif gibt.

Wo Bio draufsteht, muss auch Bio drin sein. Und Bio und Gentechnik passen nicht zusammen. Das sind die unumstößlichen Erwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher, wenn sie Bio-Waren einkaufen, egal ob es sich um Lebensmittel oder Kleidung handelt. Um diesen Erwartungen gerecht zu werden, gibt es ein aufwändiges und ausgeklügeltes Kontrollsystem für Bio-Produkte. Die Kontrollen werden von unabhängigen Zertifizierungsorganisationen ausgeführt. Diese sollen sicherstellen, dass die Vorschriften für den Bio-Anbau von den Produzenten eingehalten werden. Die unabhängige Zertifizierung ist eine wichtige Säule für die Glaubwürdigkeit von Bio-Produkten, die nun durch Medienberichte angegriffen wurde. So seien in Indien bereits im April 2009 zwei Zertifizierungsorganisationen mit hohen Strafen belegt worden, weil sie angeblich in großem Umfang gentechnisch veränderte Baumwolle als Bio-Ware zertifiziert hätten.

Beide Organisationen wehren sich gegen die durch die Financial Times Deutschland erhobenen Vorwürfe. Auch die im Bericht gemachte Angabe, dass 30% der Bio-Baumwolle gentechnisch verändert sei, könne so nicht stehen bleiben. Der so zitierte Lothar Kruse vom Labor Impetus-Bioscience sieht seine Aussage verkürzt und somit missverständlich dargestellt. Sein Labor habe Verdachtsproben untersucht und bei ca. 30% der Proben gentechnische Verunreinigungen feststellen können. Verdachtsproben werden dann in Auftrag gegeben, wenn überprüft werden soll, ob gegen Bio-Regelungen verstoßen wurde. Die Ergebnisse bezeugen somit eher, dass die Kontrolle funktioniert, als dass sie versagt. Bei 70-80% der Proben habe die Kontamination bei weniger als 2% gelegen. Dies deutet auf eine Verschleppung gentechnisch veränderten Materials hin, etwa beim Transport oder in der Entkernungsanlage - nicht auf Betrug. Dennoch stößt der Artikel eine dringend notwendige und bislang kaum öffentlich ausgetragene Diskussion an: Wie geht die Öko-Textilbranche mit dem Problem möglicher gentechnischer Kontaminationen um?

Verunreinigungen können über verschiedene Wege entstehen. Probleme bestehen beim Saatgut, bei der möglichen Auskreuzung von Nachbarfeldern, beim Transport, der Lagerung und den Maschinen der Entkernungsanlagen. Diverse Schritte entlang der Baumwoll-Existenzlinie, vom Anbau, über die Ernte bis hin zur Verarbeitung, sind potenziell für Verunreinigungen mit Genmaterial anfällig. Insbesondere in Indien muss man sich mit diesem Problem auseinandersetzen. Dort wachsen auf 60-75% der Baumwollanbaufläche gentechnisch veränderte Sorten. Gleichzeitig ist Indien inzwischen der größte Bio-Baumwolllieferant weltweit. Im Jahr 2008 stammten 50% der insgesamt 147.000 Tonnen vom Subkontinent.

Doch nicht nur Indien ist betroffen. Auch in China, den USA oder Burkina Faso wird mittlerweile Gentech-Baumwolle kommerziell angebaut. In anderen Regionen sind z. T. großflächige Versuchsflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen bestellt. Die Sicherstellung der Gentechnik-Freiheit wird somit überall zur Herausforderung. Dass dies möglich ist, beweist zum Beispiel die Remei AG mit deren bioRe Projekt in Indien. Hier wurde in Aufklärungsarbeit investiert, ein strenges Kontrollregime etabliert und sogar eine eigene Entkörnungsanlage aufgestellt, um die Gentechnikfreiheit zu garantieren. Solche Maßnahmen gibt es nicht zum Nulltarif, sie stellen aber letztendlich den einzig gangbaren Weg dar, um den Erwartungen der Kunden gerecht werden zu können. Bio zum Null-Tarif kann es nicht geben. Dies muss die Botschaft der Öko-Textilbranche sein. Die Kernaussage muss lauten: Wir bieten saubere Bio-Kleidung, deren Herstellungsprozess transparent, sauber und unter fairen Bedingungen für alle Akteure in der Kette gestaltet wurde. Diese Botschaft und der Mut, die vorhandenen Probleme zu benennen sowie Lösungswege offen zu diskutieren, kommen beim Verbraucher sicher besser an, als Richtigstellungen einzelner Details des Artikels und die Verharmlosung des vorhandenen Problems.

(Alexandra Perschau)

Grassegger H, Brambusch J (2010): Betrug mit angeblicher Bio-Baumwolle und das Geschäft mit falscher Biowolle. Financial Times Deutschland. 22.02.2010

Remei AG (2010): Seit 2004 prüft die Remei ihre Baumwolle auf GVO. Newsletter Special. 22.1.2010. Im Internet unter http://www.remei.ch/unternehmen/news-newsletter/news/post/2010/01/22/title/seit-2004-prueft-die-remei-ihre-baumwolle-auf-gvo.html
Bio-Markt Info Newsletter (2010): Baumwoll-Skandal: Gentechnik ist das Problem. 27.1.2010. Im Internet unter http://www.bio-markt.info/web/Fachwissen/Allgemeines/Baumwoll_Skandal/72/83/0/7055.html

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