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Nanotechnologie: Segen oder Fluch?

21.12.2009, PAN Germany, Susanne Smolka

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief November / Dezember 2009

Eine neue Studie des Umweltbundesamtes widmet sich den Chancen und Risiken der Nanotechnologie. Als Fazit empfiehlt das UBA, "die Verwendung von Produkten, die Nanomaterialien enthalten und frei setzen können, im Sinne eines vorsorgenden Umweltschutzes so lange zu vermeiden, wie ihre Wirkungen in der Umwelt und auf die menschliche Gesundheit noch weitgehend unbekannt sind".1

Es ist davon auszugehen, dass die Nanotechnik in Zukunft die Industrie und die Gesellschaft stark beeinflussen wird und das Potential zur grundlegenden Veränderung ganzer Technikfelder besitzt. Dies betrifft auch die Produktbereiche der Pestizide und Biozide. Wie bei anderen Technologien mit einem solchen Wirkungspotential, sollten die möglichen Risiken frühzeitig identifiziert und ein wirkungsvolles Risikomanagement entwickelt werden. Die Studie des Umweltbundesamtes stellt den Nutzen den möglichen Risiken gegenüber, die erst unzureichend abzuschätzen sind. Das Problem ist nicht neu. Während die Produktentwicklung boomt, wird nicht oder nur unzureichend in eine adäquate Risikobewertung investiert.

Was sind eigentlich Nanomaterialien? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten, denn die Experten sind sich nicht einig. Eine einheitliche, eindeutige Definition wäre aber notwendig für eine legislative Regulierung.

Nanomaterialien sind abgrenzbare strukturelle Bestandteile in der Größenordnung von 100 Nanometern (1nm = 10-9 m) oder weniger in mindestens einer Dimension. Diese Nanomaterialien umfassen Nanoobjekte wie Nanopartikel, Nanofasern (Stäbchen, Röhrchen) und Nanoplättchen, die aus verschiedenen Materialien bestehen können. Nach Auffassung des UBA fallen unter diese Definition aber auch daraus abgeleitete Agglomerate, Aggregate und sonstige komplexere Strukturen, da nicht nur die Größe der Materialien, sondern auch die besonderen Eigenschaften eine Rolle spielen.

Solche durch Nanotechnik erzeugten Materialien besitzen neuartige Eigenschaften, die für neue Produkte und Anwendungen nützlich sein können. Zum Beispiel ergeben sich besondere Oberflächen- und Grenzflächeneigenschaften aus der geometrischen Form der Materialien.

Nanotechnik findet bereits in vielen Bereichen Anwendung, etwa in der Automobilindustrie, der Chemie, der Pharmazie, der Medizin, der Bio- und Umwelttechnik, der Kommunikationstechnik, im Maschinenbau oder in der Kosmetik- und Lebensmittelindustrie.

Nanotechnologie birgt wünschenswerte Potentiale, z.B. eine effektivere Ressourcennutzung und Einsparungen im Energieverbrauch. Andererseits ist, so bemängelt die Studie, erst sehr wenig über die Exposition des Menschen und der Umwelt durch Nanomaterialien bekannt. Dies liegt auch daran, dass Messverfahren zur Bestimmung solcher Materialien, beispielsweise in der Innenraumluft oder in anderen Umweltmedien, erst unzureichend entwickelt sind. Ebenso ist erst wenig über die Wirkungen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt bekannt. In den vergangenen Jahren wurden durch die Bundesregierung und durch die EU-Kommission verschiedene Forschungsprojekte und Initiativen gefördert. Beispielsweise die deutsche "Nano-Initiative Aktionsplan 2010", in deren Rahmen das Bundesumweltministerium einen übergreifenden "NanoDialog 2006-2008" mit den Interessensverbänden geführt hat.

In der Bevölkerung hat die Nanotechnik ein vorwiegend eher positives Image. Neue Reinigungsmittel oder einfach anzuwendende oder Schmutz abweisende Farben werden als Vorteil betrachtet. Demgegenüber wird allerdings der Nanotechnik in Lebensmitteln eher mit Skepsis begegnet.

Nanomaterialien können sich je nach makroskopischer Form in ihrem Verhalten und ihrem Verbleib deutlich unterscheiden. Sie können langlebiger sein und sich an Aerosole haften. Zudem gelangen sie in Zellen. Insofern haben sie grundsätzlich das Potential, sich in Organismen und über die Nahrungskette anzureichern.

Gesundheitliche Risiken der Nanotechnologie sind kaum erforscht. Dies betrifft auch Produkte, die bereits auf dem Markt sind, wie z.B. Nano-Kosmetika. Nano-Materialien können über alle Wege aufgenommen werden. Die Atemwege sind wahrscheinlich der bedeutendste Aufnahmeweg. Sie können bis in die Lungenbläschen gelangen und dort Entzündungsprozesse verursachen. Es gibt Hinweise darauf, dass sie über die Lunge in die Blutbahn und von dort in andere Organe gelangen können. Nicht toxische, biobeständige Nanomaterialien können Lungentumore in Nagern induzieren. Es gibt auch andere asbestfaser-ähnliche Effekte. Bei Rattenversuchen zeigte sich, dass eine direkte Aufnahme der Nanopartikel von der Nase über den Riechnerv zum Gehirn möglich ist, wo die Nanopartikel im Riechkolben akkumulieren. Besonders besorgniserregend ist, dass es Hinweise darauf gibt, dass manche Nanopartikel biologische Barrieren - wie die Blut-Hirn-Schranke - durchdringen können und ein Transport über die Plazenta in den Fötus möglich ist.

Einige Untersuchungen belegen, dass Nanomaterialien in die Umwelt gelangen können. Titandioxid-Partikel, die zur Selbstreinigung von Oberflächen eingesetzt werden, werden z.B. von Hausfassaden abgewaschen und so in den Boden oder in das Wasser geschwemmt. Studien aus den USA und Schweden zeigen, dass wegen ihrer bakteriziden Wirkung in Socken und Sportbekleidung eingesetzte Silber-Nanopartikel sich beim Waschen aus den Textilien lösen und ins Abwasser gelangen. Es ist bislang unklar, ob das immer häufiger eingesetzte Nano-Silber die bakterielle Gemeinschaft in Kläranlagen schädigen kann. Eine andere Studie belegt, dass nanoskaliges Silber bei Wasserflöhen zu einer höheren Sterblichkeitsrate führt als mit mikroskaligem Silber bei gleicher Konzentration. Das UBA empfiehlt, den Eintrag von Nano-Silber in die Umwelt zu vermeiden.

Die UBA-Studie sieht für den zukünftigen Umgang mit der Nanotechnologie folgenden Handlungsbedarf:

  1. Bewertung nanotechnischer Verfahren und Produkte im Hinblick auf ihre Vorteile für die Umwelt gegenüber herkömmlichen Alternativen.
  2. Bewertung der Risiken nanotechnischer Verfahren und Produkte. Dafür sollen die Hersteller ihre Ergebnisse zur Risikobewertung offen legen.
  3. Intensivierung der Risikoforschung in Deutschland und Europa.
  4. Nanospezifische Anforderungen sind in die Stoffgesetze (z.B. in die Biozidgesetzgebung) und in ihre Ausführungsleitfäden aufzunehmen.
  5. Einführung einer Meldepflicht zur Erhöhung der Transparenz von Nanomaterialien in Produkten (z.B. unter REACH).
  6. Einführung eines Kennzeichnungssystems für die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher

(Susanne Smolka)

1 Umweltbundesamt (2009): Nanotechnik für Mensch und Umwelt - Chancen fördern und Risiken mindern. PDF-download unter: http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpsf-l/3765.pdf

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