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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Nicht-chemische Ansätze in der Malariabekämpfung

30.06.2009, PAN Germany

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Mai/Juni 2009

Ziel der Stockholmer Konvention ist unter anderem, das langlebige und giftige Insektizid DDT schrittweise weltweit zu verbieten. Die lokale Verfügbarkeit von Alternativen ist jedoch wesentlich vom politischen Willen und den finanziellen Förderern von Vektorkontrollprogammen abhängig.1 Ermutigende Beispiele für die Beendigung der DDT-Nutzung bei gleichzeitiger Reduzierung der Todesfälle durch Malaria existieren. Nun soll ein globales Projekt die Nutzung nicht-chemischer Verfahren der Kontrolle von Malaria in Afrika, der östlichen Mittelmeerregion und Zentralasien stärken.

Jedes Jahr führen etwa 250 Mio. Malariaerkrankungen zu mehr als 880.000 malariabedingten Todesfällen. Seit Jahrzehnten wird versucht, diese verheerende Krankheit einzudämmen. Seit der Verfügbarkeit chemisch-synthetischer Pestizide wird die Strategie zur Malariabekämpfung vor allem durch chemische Mittel bestimmt. Wie durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) unter anderem im Weltmalariareport 2008 beschrieben, besteht die Strategie zur Bekämpfung der Malaria aus einer Kombination von Techniken und Methoden, die vor allem die Verwendung von mit Insektiziden behandelten Bettnetzen, die Behandlung Infizierter mit einer Kombinationstherapie, deren zentraler Bestandteil der pflanzliche Wirkstoff Arteminisin ist, unterstützt durch die Anwendung von Pestiziden in Innenräumen (so genanntes Indoor Residual Spraying) und intermittierende präventive Behandlung von schwangeren Frauen. Nicht-chemische Verfahren spielten bisher eine untergeordnete Rolle.

PAN setzt sich seit Jahren für Projekte ein, die auf die Weiterentwicklung und den Einsatz nicht-chemischer Maßnahmen in der Malariabekämpfung abzielen - zur Reduktion der malariabedingten Erkrankungen und Todesfälle und dem gleichzeitigen Schutz von Menschen und der Umwelt vor gefährlichen Pestiziden. Erfreulich ist, dass inzwischen viel versprechende Erfahrungen aus Projekten vorliegen, wie in den folgenden Beispielen gezeigt wird.

Das mexikanische Modell

Der mexikanische Ansatz2 wurde über den Zeitraum von einer Dekade entwickelt und folgte dem Gedanken, nicht nur eine "Insellösung" für das Malariaproblem zu finden, sondern gleichzeitig durch sanitäre/hygienische Maßnahmen andere Krankheiten mit hoher Todesrate wie Dengue und Diarrhoe zu bekämpfen und dabei sektorübergreifende Ansätze zur Gesundheitsvorsorge zu implementieren. Die drei wichtigsten Fundamente des mexikanischen Modells sind Kenntnisse über die Ausbreitung von Krankheiten (Epidemiologie), Kenntnisse der Insektenkunde (Entomologie) inklusive der Mikrobiologie und sozialstrukturelle Ansätze (Einbeziehung der Bevölkerung).

Ausgangspunkt des mexikanischen Modells war eine genaue Analyse der Sachlage. Dadurch wurde z. B. erkannt, dass Malaria kein "flächendeckendes" Problem ist, nicht einmal in kleinen regionalen Einheiten wie Dörfern. Es gibt Häuser, so die Erkenntnis, in denen Malaria ein Dauerproblem ist und andere nahe gelegene Häuser, in denen dies nicht der Fall ist. Und es gibt Häuser, in denen nur bestimmte Personen immer wieder an Malaria erkranken. Über differenzierte örtliche Analysen gelangten sie zu dem Schluss, dass die Übertragung der Malariaerreger an bestimmten Orten und auf bestimmte Personen durch verschiedene Faktoren begünstigt wird. Auf Grundlage der Sachanalyse und des Studiums auch älterer Literatur wurde ein integrierter Ansatz entwickelt, dessen schlichter Kerngedanke ist, dass dort, wo die Vektoren eine gute Daseinsnische finden, mit einem erhöhten Auftreten von Malaria zu rechnen ist. Der Umkehrschluss für die Reduktion von Malaria bedeutet demnach, dass die Lebensbedingungen der Anophelesmücken sachgerecht beseitigt und zudem die Übertragungswege unterbrochen werden müssen. Letzteres ist ein besonders wichtiger Gedanke des mexikanischen Modells.

Ein wichtiger Ansatz der Malariabekämpfung ist daher etwa die Beseitigung von Brutstätten, indem stehende Gewässer wo immer möglich verhindert, Algen in Gewässern entfernt, Verstopfungen von Abwassergräben beseitigt werden sowie Bewuchs, der den Mücken in Hausnähe Unterschlupf bietet, entfernt wird. Das Programm, dies ist bedeutend, wurde unter Einbeziehung der lokalen Bevölkerung implementiert.

Zusätzlich zur Analyse der Lebensbedingungen von Mücken wurde in Mexiko auch den durch die Anopheles-Mücken übertragenen Krankheitserregern (überwiegend Plasmodium vivax)große Aufmerksamkeit gewidmet. Es galt, die Kette der Übertragung zu unterbrechen. Deshalb wurde die Verwendung von Medikamenten im Rahmen dieses Ansatzes an den Lebenszyklus des Parasiten und die Übertragung des Parasiten angepasst. Ein wichtiges Ziel medikamentöser Behandlungen war, zu verhindern, dass Mücken durch das Stechen von mit dem Malariaerreger infizierten Personen die Krankheitserreger auf andere Personen übertragen. Deshalb wurden systematisch nicht nur Personen medikamentös behandelt, die erkrankt waren, sondern auch solche, die den Erreger in sich tragen, aber nicht unter Krankheitssymptomen leiden. Medikamentös behandelt wurden auch schwangere Frauen, um die Infektion von Embryos zu vermeiden.

Das Mittelamerika-Projekt

2003 wurde ein durch die Pan American Health Organisation koordiniertes Projekt in Zusammenarbeit u. a. mit UNEP und acht nationalen Regierungen begonnen. Mitwirkende waren die Gesundheitsministerien in Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Mexiko, Nicaragua und Panama, wo DDT seit den 1950er Jahren eingesetzt wurde. In Mittelamerika leben mehr als 89 Mio. Menschen in Gebieten mit günstigen Bedingungen für die Übertragung von Malariaerregern. 202 Gemeinden in 50 Bezirken der acht Länder nahmen an dem Programm teil. Das Programm betraf 160.000 Personen direkt und 6,8 Mio. Menschen indirekt, wodurch 30% jener Personen repräsentiert waren, die in den von Malaria besonders stark betroffenen Gebieten lebten.

Die im Rahmen des 8-Länder-Projektes eingesetzten Methoden umfassten unter anderem:

  • Partizipation der Bevölkerung als Kernelement der Aktivitäten,
  • angemessene Einbeziehung ländlicher Gebiete mit indigener Bevölkerung, die in hoher Armut lebt und von Malaria stark betroffen ist,
  • multidisziplinäre und multisektorale Ansätze, die den Umwelt-, Bildungs- und Gesundheitssektor einbeziehen,
  • Kombination von Kontrollmethoden,
  • Beseitigung von Parasiten durch eine schnelle Diagnose und Behandlung der Bevölkerung einschließlich Beratung/Überwachung der oralen Behandlung,
  • Reduktion des Kontaktes zwischen Mücken und Menschen durch den Einsatz von mit Pestiziden behandelter Bettnetzen sowie Netzen an Fenstern und Türen (ohne den Stich der weiblichen Mücken kann es keine Malariaerkrankung geben),
  • Anpflanzung Mücken abweisender Pflanzen,
  • Reduktion von Brutstätten (Beseitigung von Bewuchs, Vermeidung stehender Gewässer durch Drainage) und Einsatz biologischer Kontrollmaßnahmen (Fische, Bakterien),
  • Beseitigung von Unterschlupfmöglichkeiten der Insekten und von Bedingungen, die Mücken anlocken (Reinigung der häuslichen Umgebung, Verbesserung der persönlichen Hygiene).

Das Projekt erzielte eine Reduktion der Malariafälle um 63%. Zudem wurden jene Malariafälle um 86% reduziert, die im Zusammenhang mit Plasmodium falciparum stehen, jener Parasiten, die die gefährlichste Form der Malaria und die höchste Todesrate auslösen. 3

Nicht-chemische Ansätze in Afrika

Aus den Reihen der DDT-Befürworter war bisher zuweilen lautstark zu hören, dass die lateinamerikanischen Ansätze aufgrund guter dortiger Voraussetzungen wirksam sein mögen, in Afrika aber schwer denkbar seien. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass inzwischen auch in Ostafrika Ansätze zur Malariabekämpfung ohne DDT und mit starker nicht-chemischer Komponente initiiert wurden, zum Beispiel im kenianischen Malindi. Malindi liegt in der östlichen Küstenregion Kenias mit hoher Malariarate. Dort wurde dem mexikanischen Ansatz gefolgt und es wurden zum Beispiel Malaria-Scouts organisiert, die kontinuierlich Quellen der Förderung von Malaria identifizieren und ihre Beseitigung initiieren. Dies geschah bereits mit ersten Erfolgen.

Das neue UNEP/WHO/GEF-Projekt

Die jüngsten internationalen Bemühungen zur Eliminierung von DDT und gleichzeitigen Reduktion der Malariafälle sollen die Möglichkeit nicht-chemischer Ansätze in Afrika, der östlichen Mittelmeerregion und in Zentralasien prüfen. Auf der 4. Vertragsstaatenkonferenz der Stockholmer Konvention verkündeten das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Globale Umweltfazilität (GEF) gemeinsam, dass zehn Projekte, allesamt Teil des globalen Programms zur Demonstration and Ausweitung nachhaltiger Alternativen zu DDT im Vektormanagement, auf den Weg gebracht wurden. An diesem Programm werden rund 40 Länder in Afrika, in der östlichen Mittelmeerregion und in Zentralasien teilnehmen. UNEP, WHO und GEF haben sich das Ziel gesetzt, mit diesem umfangreichen Programm sowohl zur Erreichung gesundheitsbezogener wie auch zur Erreichung umweltbezogener Millenium Development Goals (MDG), die bis 2015 erreicht werden sollen, beizutragen, sowie gleichzeitig auch das Dauergift DDT gemäß der Stockholm Konvention aus der Welt zu schaffen.

Ziel des neuen Programms ist, im Rahmen der Implementierung der Stockholmer Konvention den Einsatz von DDT bis zum Jahr 2014 um 30% zu senken und DDT bis 2020 global vollständig zu eliminieren. Gleichzeitig sollen die auf Malaria bezogenen Ziele der WHO erreicht werden. Das Programm wird mit nahezu 40 Mio. Dollar ausgestattet werden.

Mehrere neue Fünf-Jahres-Regionalprojekte beginnen bzw. werden bis Frühjahr 2010 gestartet. Eines der Projekte umfasst Eritrea, Äthiopien und Madagaskar und eine größere regionale Initiative die Länder Djibuti, Ägypten, Jordanien, Marokko, den Iran, Sudan, Syrien und Yemen. Ein drittes Projekt umfasst Georgien, Tadschikistan und Kirgisien, wobei ggf. weitere Nachbarländer einbezogen werden. Ein weiteres Projekt soll Kenia, Tansania und Uganda dabei unterstützen, eine Methodik zur Entscheidungsfindung für Behörden zu entwickeln, um gesundheitliche, umweltbezogene und soziale Wirkungen von Programmen bewerten zu können.

Die bisherigen Erfahrungen in Malaria-Projekten zeigen, dass die Einbeziehung lokaler Nicht-Regierungsorganisationen (NRO) und die Beteiligung der Bevölkerung eine essentielle Voraussetzung für gute Programm-Ergebnisse sind. Deshalb entwickeln derzeit NROs Ideen, um die neue UN-Initiative zu unterstützen.

1 PAN Germany (2009): DDT und die Stockholmer Konvention - Staaten am Rande der Legalität. Hamburg
2 Mendez-Galvan et al. (2007): A sustainalbe strategy for eliminating DDT from disease vector control programs and reducing malaria: The Mexican Model, publiziert durch PAN International, IPEN et al.
3 UNEP, WHO, GEF (2009): Countries move toward more sustainable ways to roll back malaria - 4th Meeting of the Conference of the Parties to the UNEP-Linked Stockholm Convention on Persistent Organic Pollutants, Joint news release, 6 May 2009

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