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BVL untergräbt eigene Forschungserkenntnisse

01.01.2007, Lars Neumeister

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Januar/Februar 2007

"Potenzial natürlicher Feinde von Rapsschädlingen bisher ungenutzt". So lautet der Titel einer Pressemitteilung der Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA), dem Forschungsinstitut des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Anlass für die Pressemitteilung war der Abschluss eines fünfjährigen EU-Forschungsprojekts über Schädlinge im Raps und ihre Gegenspieler. Der Titel der Pressemitteilung ist zugleich das Fazit der Forschung.

Rapsschädlinge, insbesondere der Rapsglanzkäfer, sorgten im Sommer 2006 für Schlagzeilen. Aus den neuen Bundesländern Mecklenburg und Brandenburg wurde von Ausfällen bis zu 70% berichtet. Mit durchschnittlich 30% rechnete der brandenburgische Landesbauernverband.

Resistenz gegen die zugelassenen Mittel war Ursache für die berichteten Schäden. Schaut man sich die Liste der Mittel für die Bekämpfung des Rapsglanzkäfers aus dem Mai 2006 an, muss man sich über Resistenzen nicht wundern. Sowohl gegen den Rapsglanzkäfer als auch gegen den Kohlschotenrüssler waren im Mai 2006 nur Insektizide der Stoffgruppe Pyrethroide zugelassen. Dass sich in Deutschland beim Rapsglanzkäfer Resistenzen gegen Pyrethroide entwickeln, war im Sommer 2006 schon mindestens 3 Jahre bekannt. Anstatt mit Vorsorge auf die zu erwartende Entwicklung zu reagieren, erlaubte das BVL unter Berufung auf "Gefahr im Verzuge" im Frühjahr/Sommer 2006 schnell noch zwei weitere Wirkstoffe auf Basis von synthetischen Pyrethroiden: Etofenprox und tau-Fluvalinat. Verwunderlich ist daher gar nicht, dass diese Mittel den Landwirten nicht geholfen haben.

Vermutlich weil die Lagerkapazitäten von Biscaya nicht ausreichen, um zehntausende Hektar Raps zu behandeln, oder weil man neue Resistenzentwicklungen befürchtet, will das BVL ganz sichergehen. Es holt mit der "Gefahr im Verzuge"-Regelung für die Saison 2007 zwei alte Organophosphate (Phosphorsäureesther) aus dem verstaubten Giftschrank: Chlorpyrifos-methyl und Methidathion. Beides sind umweltgefährliche, nicht-selektive Insektizide. Methidathion ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sogar als hoch gefährlich (Klasse Ib) eingestuft worden, und die EU hat im Januar 2004 die Nichtaufnahme auf den Annex I der Richtlinie 91/414 beschlossen. Die Aufbrauchfrist für Methidathion enthaltende Mittel endete in Deutschland am 31.12.2006, Chlorpyrifos-methyl ist seit Jahren in Deutschland nicht mehr zugelassen.

Die Antwort auf Resistenzen, so die Idee des integrierten Pflanzenschutzes seit den 1950ern, war es nicht, immer stärkere Mittel zuzulassen, sondern das Agrarökosystem so zu pflegen, dass es eine gewisse Selbstregulierung gibt. In der Pressemitteilung der BBA heißt es denn auch: "Das wichtigste Kriterium für das Überleben von Nützlingen im Rapsfeld ist jedoch ein maßvollerer Einsatz von Insektiziden, der zudem ihren Lebenszyklus berücksichtigt". Dem BVL sind wohl einige Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte und aus hauseigener, neuester Forschung entgangen. Die "Gefahr im Verzuge"-Regelung wird wieder einmal dazu benutzt, schlechte landwirtschaftliche Praxis zu kurieren. Weder ökonomisch noch ökologisch nachhaltige Anbausysteme werden so gefördert.


1 BBA (2007): Potenzial natürlicher Feinde von Rapsschädlingen bisher ungenutzt, Pressemitteilung, 09.01.07, Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA)

2 MAZ (2006): Der Rapsglanzkäfer beißt zu, Bauern befürchten Ausfälle von 30 Prozent / Noch kein Gegenmittel, Märkische Allgemeine Zeitung, 06.06.2006

3 BVL-Datenbank, Mai 2006, übermittelt durch das BVL an den Autor

4 LWK (2007): Schädlinge im Raps, Internetauftritt der Landwirtschaftskammer (LWK), http://www.landwirtschaftskammer.de/fachangebot/ackerbau/raps/schaedlinge.htm

5 BVL (2007): Genehmigungen nach § 11(2) PflSchG "Gefahr im Verzuge" (letzte Änderung: 31. Jan. 2007), Webseite des BVL unter http://www.bvl.bund.de/cln_007/nn_ 492012/DE/04__Pflanzenschutzmittel/02__ZugelassenePflanzenschutzmittel/ psm__genehmigungen.html, Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

6 EC (2004): 2004/129/EC: Commission Decision of 30 January 2004 concerning the non-inclusion of certain active substances in Annex I to Council Directive 91/414/EEC and the withdrawal of authorisations for plant protection products containing these substances (Text with EEA relevance) (notified under document number C(2004) 152)

7 BVL (2007): Liste der zugelassenen Pflanzenschutzmittel in Deutschland mit Informationen über beendete Zulassungen (Stand: Januar 2007) Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit

8 Pestizid-Datenbank des Autors

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