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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Wachstum auf dem Markt für "Biopestizide"

01.11.2003, Carina Weber

"Der globale Markt für Biopestizide wächst", so Dr. Rustico G. David vom Department of Agriculture, Quezon City, Philippinen, "beträgt aber derzeit nur 1,4% oder 380 Mio. Dollar des 28 Mrd. Dollar-Marktes für Pestizide". Sogenannte Biopestizide sind ein Sektor des Pestizidmarktes, in dem Hoffnung und Ernüchterung nah beieinander liegen und der sowohl in der konventionellen Landwirtschaft als auch im zertifizierten Bio-Anbau seinen Absatzmarkt sucht. Auf einem internationalen Symposium wurden die Biopestizide jüngst einer näheren Betrachtung unterzogen.

21 Referentinnen und Referenten aus Afrika, Asien, Europa, Nord- und Mittelamerika sowie Lateinamerika trafen sich am 28.- 30.10.2003 in Costa Rica, um im Rahmen des International Symposium on Biopesticides for Developing Countries 2003 Alternativen zu chemisch-synthetischen Pestiziden zu diskutieren. Das Symposium wurde durch CATIE/GTZ organisiert und in Kooperation mit PAN Germany durchgeführt.

Die Initiative zu diesem Symposium war von dem GTZ-Projekt zur "Förderung von nicht-synthetischen Pflanzenschutzmitteln durch Firmen in Zentralamerika" ausgegangen. Hintergrund des Symposiums ist, so Dr. Ulrich Roettger, die inzwischen langjährige Förderung des Integrierten Pflanzenschutzes sowie seit jüngerer Zeit auch des biologischen Landbaus im Rahmen der technischen Zusammenarbeit der GTZ. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass ein Interesse an der Reduktion des Einsatzes chemisch-synthetischer Pestizide besteht, weil diese Mittel vielerlei Schäden verursachen. Im Vergleich zu chemisch-synthetischen Pestiziden versprechen Biopestizide eine geringere Toxizität, eine höhere Selektivität, eine bessere Vereinbarkeit mit Integriertem Pflanzenschutz und Nutzungsmöglichkeiten im ökologischen Landbau. Sie versprechen zudem, so Dr. Susanne Scholaen vom Pilotprojekt Chemikaliensicherheit der GTZ, eine nachhaltigere Umsetzung internationaler Regelungen. Wenn gefährliche, langlebige Pestizide vom Markt genommen werden sollen, stellt sich immer auch die Frage nach den Alternativen. Biopestizide sind in diesem Zusammenhang eine Option. Das Angebot an nicht-synthetischen Mitteln ist jedoch begrenzt, die Vermarktungsstrategie der Firmen uneinheitlich und die Registrierung der Mittel langwierig.

Ziel des Symposiums war, den Sachstand zu erfassen und Kooperationen für eine Förderung der Verfügbarkeit und Nutzung von Biopestiziden zu begünstigen. Das Interesse von PAN Germany an einer Kooperation ergab sich aus dem neuen PAN Germany-Projekt zum Aufbau eines Online Information Service for non-chemical pest control in the tropics (OIS@T). Ziel von OIS@T ist, den Einsatz jeglicher Art von Pestiziden durch vorbeugende Maßnahmen zu vermeiden. Der Einsatz von biologischen Mitteln steht deshalb bei PAN ganz am Ende der möglichen Maßnahmen, wenn alle vorbeugenden Verfahren versagt haben.

Hinter dem Begriff "Biopestizide" verbergen sich international jedoch terminologische Bestimmungen, die PAN ablehnt. Wie Hugh Evans (Forest Research Agency, UK) ausführte, werden z.B. durch die EPA auch gentechnisch veränderte Organismen, in der EPA-Sprache plant-incorporated protectants (PIPs) genannt, unter Biopestizide subsummiert. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftorganisation (FAO) sind Biopestizide biologische Pflanzenschutzmittel, die natürlich vorkommen oder gentechnisch verändert sind. Sie haben einzigartige Wirkungsweisen, ein geringes Einsatzvolumen und sind zielorganismus-spezifisch. Die FAO unterscheidet zwei wesentliche Kategorien: (a) Biochemische Mittel zur Kontrolle von Schadorganismen (keine direkte Giftigkeit und natürlich vorkommend: Semi-Chemikalien, Hormone, natürliche Pflanzen-Wachstumsregulatoren und Insekten-Wachstumsregulatoren sowie Enzyme), und (b) Mikrobiologische Mittel zur Kontrolle von Schadorganismen (Bakterien, Pilze, Viren und Protozoen oder gentechnisch modifizierte Mikroorganismen). Der US-amerikanischen EPA zufolge sind Biopestizide bestimmte Pestizide, die aus natürlichen Materialien oder Organismen wie Tiere, Pflanzen, Bakterien oder bestimmten Mineralien hergestellt werden. Die EPA unterscheidet drei Kategorien von Biopestiziden: (1) Mikrobische Pestizide - Bakterien, Pilze, Viren oder Protozoen, (2) sogenannte PIPs, Plant Incorporated Protectants, also in Pflanzen eingebaute Toxine, und (3) biochemische Pestizide, die natürlich vorkommen und zur nicht-toxischen Kontrolle benutzt werden, z.B. Pheromone. Im Zentrum der EU-Regelungen stehen, so Evans, Mikroorganismen und Viren. Ein Mikroorganismus ist laut EU "jede zelluläre oder nichtzelluläre mikrobiologische Einheit, die zur Vermehrung oder zur Weitergabe von genetischem Material fähig ist; hierzu zählen Viren, Viroide sowie tierische und pflanzliche Zellkulturen" (90/219/EWG).

Die Beweggründe für die Verwendung von Biopestiziden werden meist aus den Nachteilen gespeist, die mit dem Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide verbunden sind. Zu diesen treten Biopestizide in Konkurrenz mit allgemeinen Charakteristika wie einer relativ hohen Selektivität der Wirkung, einer geringeren Belastung der Umwelt, relativ geringeren Gefahren für AnwenderInnen oder der Möglichkeit erneuerbare Ressourcen für ihre Produktion zu nutzen.

Gleichwohl sind Biopestizide keine unproblematischen Zaubermittel. Abgesehen davon, dass die Gentechnik Unterschlupf unter dem Begriff "Biopestizid" gefunden hat, sind auch Mittel aus natürlichen und nicht gentechnisch veränderten Stoffen bzw. Organismen keinesfalls per se unproblematisch. Sie müssen deshalb aus der Sicht von PAN Germany prinzipiell sorgfältig geprüft und zugelassen werden. Dies kostet Zeit und Geld und wird derzeit von mancher kleinen Biopestizid-Firma als große Vermarktungshürde erachtet.

Der Markt für Biopestizide beträgt laut Rustico G. David vom Department of Agriculture in Quezon City (Philippinen) derzeit rund 380 Mio. Dollar. Das sind etwa 1,4% des 28 Mrd. Dollar-Marktes für Pestizide (David, 2003). Natürliche Gegenspieler und Antagonisten (einschließlich Mikroben, Prädatoren und Parasiten) umfassen, so David, nur 164 Mio. des 8 Mio. Dollar-Marktes für Insektizide. Über 90% der Biopestizid-Umsätze betreffen Bacillus thuringiensis (Bt)-Produkte. Laut David sind gegenwärtig 185 Biopestizidpräparate auf dem Markt (72 Bakterien, 47 Pilze, 40 Nematoden, 24 Viren und 2 Protozoen).

Der Einsatz von Biopestiziden ist im Vergleich zu chemisch-synthetischen Pestiziden meist komplizierter. Für ihren effektiven Einsatz ist ein spezielles Know-how erforderlich. Schon allein aus diesem Grunde bedürfen Biopestizide einer anderen Vermarktungsstrategie als chemisch-synthetische. Firmen sollten, so die Ansicht von PAN Germany, nicht dem Fehler verfallen, Biopestizide schlicht als Alternative zu unerwünschten Pestiziden zu vermarkten. PAN Germany forderte deshalb auf dem Symposium die VertreterInnen von Biopestizid-Firmen auf, Biopestizide im Rahmen eines Systemansatzes zu vermarkten, der pflanzenbauliche Vorsorgemaßnahmen in den Vordergrund stellt. Nur so könnten Mittel aus der Gruppe der Biopestizide einen adäquaten Platz in einer zukunftsfähigen Landwirtschaft erhalten.

(Carina Weber)


(Aus: Pestizid-Brief November/Dezember 2003)

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