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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Integrierter Obstbau nicht "umweltschonend"

01.05.2004, Carina Weber

Unter dem Titel "Natur- und Sozialverträglichkeit des Integrierten Obstbaus" wurde erstmalig eine vergleichende Studie über die aktuell in Deutschland üblichen Produktionsmethoden im Obstbau erstellt. Ergebnis der durch S. Rösler an der Uni Kassel erstellten Arbeit ist, dass der Integrierte Obstbau weder als umwelt- noch als nützlingsschonend bezeichnet werden kann.

Der Obstbau zählt zu jenen landwirtschaftlichen Anbausektoren, in denen zum Teil sehr offensiv mit dem Hinweis auf die Umweltverträglichkeit der integrierten Produktion geworben wurde. Diese Charakterisierung ist umstritten. Im Rahmen einer Dissertation wurde nun überprüft, ob ein etikett wie ‘Aus Integrierter Produktion’ als Gütesiegel gelesen werden kann. Dies geschah, indem der integrierte und der ökologische Niederstammobstbau sowie der traditionelle Streuobstbau bezüglich ihrer Nachhaltigkeit verglichen wurden.

Ausgangsthese der Arbeit ist die folgende Aussage: "Unter Zugrundelegung einer vergleichenden Betrachtung des Integrierten Obstbaus mit dem Ökologischen Obstbau und dem Streuobstbau ist das heute zugunsten des Integrierten Obstbaus verwendete Prädikat ‘umweltschonend’ nicht gerechtfertigt."

Das Untersuchungsgebiet der Arbeit befindet sich in der Bodenseeregion, einem der größten Obstanbaugebiete Mitteleuropas. Es wurden sowohl Daten zur Ökologie als auch zur Ökonomie und zu sozialen Aspekten erhoben. Das Thema Ökologie wurde z.B. hinsichtlich der Biologischen Vielfalt untergliedert nach den Aspekten Biotopstruktur, Vögel, Arthropoden und Vegetation untersucht. Zur Erfassung und Bewertung der Sozialverträglichkeit der verschiedenen Obstanbauverfahren wurden Verbraucher- und Obstbauernbefragungen durchgeführt.

Auf der Grundlage umfangreichen Datenmaterials wird generell eine große Diskrepanz zwischen dem oft formulierten Anspruch und der praktizierten Wirklichkeit des Integrierten Obstbaus beschrieben. Mit Blick auf die Naturverträglichkeit wird in der Arbeit zusammenfassend festgestellt, dass der integriert produzierende Niederstammobstbau im Vergleich zum Öko-Niederstammobstbau und zum Streuobstbau weder als ‘umweltschonend’ noch als ‘nützlingsschonend’ bezeichnet werden kann und generell deutlich ‘naturbelastender’ ist. Im Vergleich zum Streuobstbau wird auch der ökologische Niederstammobstbau nur eingeschränkt als ‘naturverträglich’ bewertet. Mit Blick auf die Förderung der Biodiversität äußert der Autor abschließend die Vermutung, dass die Struktur der Obstanlagen mindestens ebenso wichtig sei wie die Bewirtschaftungsmethode.

Die Erforschung des Untersuchungsgegenstandes "Sozialverträglichkeit" ergab, dass Öko-Obstbauern sich hinsichtlich ihrer ökonomischen Situation, ihres Images, der gesellschaftlichen Akzeptanz und der Berufsperspektiven in einer besseren Situation, mehrheitlich sogar in einer deutlich besseren Situation, befinden als integriert wirtschaftende Bäuerinnen und Bauern. Es wird die These vertreten, "dass die IP-Obstbauern selbst Opfer der für sie tätigen "Werbestrategen" sind. Indem sie durch die fragwürdige Werbung mit dem Begriff ‘umweltschonend’ langfristig eher zu Schaden kommen als dass der gewünschte Imagegewinn erreicht wird."

Den Abschluss der Arbeit bilden politische Empfehlungen für einen natur- und sozialverträglichen Obstbau. Hierbei steht die Veränderung der wirtschafts- und agrarpolitischen Rahmenbedingungen im Vordergrund. Zu den empfohlenen Maßnahmen zählt u.a. eine Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes derart, dass der Einstieg in umweltschonende Wirtschaftsweisen gefördert wird; eine Reform des Zulassungsverfahrens für Pestizide; die Verbesserung der Überwachung und Beratung; eine klare Definition des Begriffes "Integrierter Obstbau" und des Terminus "Gute fachliche Praxis" und die Unterbindung irreführender Werbung.

(Aus PAN Germany Pestizid-Brief Mai/Juni 2004)

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