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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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EU Pestizid-Monitoring 2003

01.11.2005, Susanne Smolka

Mit deutlicher Verspätung veröffentlichte die Europäische Kommission Anfang November ihren Bericht zum Pestizid-Monitoring des Jahres 2003.¹ Das Ergebnis in Kürze: Die Rückstandswerte stagnieren auf hohem Niveau, Verbesserungen im Bereich der Risikobewertung sind nicht erkennbar. PAN Germany kritisiert unter anderem das Ignorieren von unterschiedlichen Essgewohnheiten von Kindern in Europa.²

Die neu veröffentlichten Daten über Pestizidrückstände in pflanzlichen Lebensmitteln in Europa für das Jahr 2003 geben keinen Anlass zur Entwarnung. Die Resultate sind nahezu identisch mit denen des Vorjahres – und jene zeigten bereits ein sehr bedenkliches Bild in Sachen Verbraucherschutz.³

Nach dem aktuellen Bericht enthalten im Durchschnitt fast die Hälfte (43,5%) der untersuchten Proben von frischem Obst, Gemüse und Getreide in 18 europäischen Staaten Pestizidrückstände. Davon überschreiten 5,5% die erlaubten Rückstandshöchstmengen. In Deutschland liegen die Werte sogar bei rund 57%, davon sind 8,4% Höchstmengenüberschreitungen. Rund ein Fünftel der untersuchten Lebensmittel (20,5%) enthalten mehr als ein Pestizid. Deutschland nimmt mit 32% weiterhin eine Spitzenposition an mehrfach belasteten Proben ein.

Es bleibt wie gehabt: bei konventionell erzeugten Lebensmitteln ist die Wahrscheinlichkeit weiterhin sehr groß, pestizidbelastete Produkte zu verzehren.

Interessant ist ein Blick auf den Versuch der Europäischen Kommission, eine Risikobewertung für VerbraucherInnen durchzuführen. Die Bewertungslücken beginnen bereits bei vergleichsweise einfachen toxikologischen Fragestellungen, wie zum Beispiel der nach den akuten Risiken einer bestimmten Pestizid/Produkt-Kombination. Die Bewertung basiert zum einen auf der festgelegten akuten Referenzdosis (ARfD). Die ARfD drückt die Konzentration eines Pestizids (oder einer Chemikalie) aus, bei der nach einmaliger oder kurzfristiger Aufnahme kein erkennbares Gesundheitsrisiko angenommen wird. Den zweiten relevanten Faktor bilden Daten zu den Verzehrgewohnheiten der Bevölkerung.

Im Rahmen des EU-koordinierten Monitorings werden Risikobewertungen für Erwachsene und Kinder bei erkannten problematischen Pestizidrückständen durchführt. Und als prozentuale Ausschöpfung des ARfD-Wertes dargestellt. Benutzt werden dabei Daten zu den Verzehrgewohnheiten der englischen Bevölkerung (UK-Modell). Die Situation für Erwachsene und Kinder in den übrigen 17 beteiligten Staaten bleibt dabei völlig im Dunkeln. Kalkuliert man das akute Risiko für Kinder anhand von neu veröffentlichten Daten und Berechnungsmodellen des Bundesinstituts für Risikobewertung (Deutsches Modell), erhält man erschreckende Ergebnisse. Das UK-Modell unterschätzt offensichtlich das Risiko für deutsche Kinder zum Teil erheblich. Beispielsweise wird für das Nervengift Methamidophos in Paprika die ARfD nach dem EU-Bericht um 164% für Kinder ausgeschöpft. Mit dem deutschen Modell, der hiesigen ARfD für Methamidophos und der hiesigen Essgewohnheiten wird die ARfD für deutsche Kinder zu über 4000% ausgeschöpft. Das bedeutet das 40-fache des festgelegten Grenzwertes zum Schutz vor akuten Gesundheitsgefährdungen.

Es darf spekuliert werden, wie wenig aussagekräftig das UK-Modell (oder auch das Deutsche Modell) für die restlichen 16 beteiligten Staaten bzw. dessen Bevölkerung ist. Leider liegen in diesen Ländern aktuelle Studien zu den Verzehrgewohnheiten nicht vor. Auf diese Bewertungslücken wird im Bericht nicht deutlich eingegangen. Obwohl der EU-Bericht von einem "Beispiel" in der Berechnung akuter Risiken spricht, wird letztlich dem geneigten Leser beim Anblick der tabellarischen Auflistung Machbarkeit, Übertragbarkeit und eine Quantifizierbarkeit suggeriert.

Eine Bewertung dieser Kalkulationen, wenn auch nur begrenzt für Großbritannien, findet letztendlich nicht statt – es wird auf weiteren Forschungsbedarf verwiesen.

Nach Auffassung von PAN Germany sollte trotz und wegen der Begrenztheit der Risikobewertung die EU-Kommission im Sinne der Vorsorge in ihrem Bericht zumindest deutlich benennen, dass Gesundheitsrisiken für empfindsame Gruppen wie Kinder nicht auszuschließen sind. Dieses klare Bekenntnis aus dem Jahre 2002 fehlt leider in dem aktuellen Bericht.

¹ European Commission (2005): Monitoring of Pesticide Residues in Products of Plant Origin in the European Union, Norway, Iceland and Lichtenstein, 2003; SEC(2005) 1399. PDF-Download des Berichts und der Anhänge unter: http://europa.eu.int/comm/food/fvo/ specialreports/pesticides_index_en.htm

² PAN Germany (2005): Pestizide in Obst und Gemüse – ein Risiko für unsere Kinder. Presseinformation vom 21.11.2005

³ Pestizid-Brief, Artikel vom Juli/August 2004: Pestizidrückstände in Lebensmittel nehmen zu (S. 2-3)

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