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Nutzen antibakterieller Seifen fraglich: US-Behörde fordert Beweise und warnt vor Risiken

23.01.2014, PAN Germany Pestizid-Brief 1-2014

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Die US-Aufsichtsbehörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) veröffentlichte im Dezember 2013 einen neuen Regelungsentwurf, wonach Hersteller von rezeptfreien, antibakteriellen Handseifen und Waschlotionen zukünftig nachweisen müssen, dass ihre Produkte bei Langzeitverwendung tatsächlich einen klinischen Vorteil gegenüber normalen Seifen besitzen und zudem kein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen (1).

Biozid-Hersteller unter Druck

Die FDA reagiert mit dem neuen Regelungsentwurf auf die zahlreichen Hinweise aus der Wissenschaft, dass die Biozide in antibakteriellen Seifen und Waschlotionen bestenfalls keinen Effekt haben, schlimmstenfalls allerdings eine gesundheitliche Belastung darstellen. So stehen bestimmte, häufig eingesetzte Biozide wie Triclosan unter dem Verdacht, Bakterienresistenzen zu verursachen. Damit könnte die Ausbreitung von Krankheitserregern gefördert werden, bei denen Antibiotika nicht mehr wirken. Andere in Tierversuchen beobachtete Effekte betreffen u.a. die Störung des Hormonstoffwechsels, woraus u.a. höhere Risiken für die Fortpflanzung und Krebsentstehung resultieren können. Triclosan und sein stabiles Abbauprodukt Methyl-Triclosan finden sich in zahlreichen Gewässerproben und reichern sich in Wasserlebewesen wie Fischen ebenso wie in der Muttermilch an.

Mit Blick auf diese möglichen Nachteile für Umwelt und Gesundheit kritisiert die FDA, dass es selbst nach Jahrzehnten an Forschung keine wissenschaftlich anerkannten Nachweise dafür gibt, dass antibakterielle Seifen oder Waschlotionen besser vor krankheitserregenden Keimen schützen als herkömmliche Hygieneprodukte. Die von der FDA veröffentlichen Verbraucherinformationen lesen sich insofern wie eine Gegenrede zu den Werbeversprechen der Hersteller (2).

Die FDA will den Herstellern nun ein Jahr Zeit geben, überzeugende Daten einzureichen, bevor die neue Regelung in Kraft gesetzt wird. Sollten die Hersteller die Sicherheit und die Wirksamkeit ihrer Produkte nicht belegen können, kann die FDA verschiedene Auflagen festlegen, wie etwa die Änderungen der Werbeaussagen und der Produktkennzeichnung bis hin zur Einschränkung oder zum Verbot der Vermarktung.

Das besonders problematische Triclosan ist schätzungsweise in 75 % der antibakteriellen flüssigen Seifen und Körperreinigungsmittel in den USA zu finden. Laut FDA enthalten mehr als 93 % der festen antibakteriellen Seifen neben Triclosan auch das hormonschädigende Triclocarban. Während der aktuelle Vorschlag nur die besagten Hygieneartikel betrifft, könnte das FDA-Verfahren letztlich auch Auswirkungen auf die gesamte millionenschwere Industrie biozidausgerüsteter Gebrauchsgegenstände haben. Neben Waren wie Seifen wird eine Vielzahl von weiteren verbrauchernahen Gegenständen wie Küchenmesser, Bettwaren oder Spielzeug mit Triclosan und Co. ausgerüstet. Entscheidend für die Anbieter ist dabei die verkaufsfördernde Werbebotschaft der "antibakteriellen" Hygienefunktion. Ob diese tatsächlich vorhanden ist oder ob sie sogar schädlich ist, war bislang eher zweitranging.

Zur Situation in der EU

Europäischen Verbrauchern geht es nicht anders als US-amerikanischen. Auch hierzulande glauben viele Menschen den Werbebotschaften der Anbieter und gehen davon aus, dass sie durch den Gebrauch einer antibakteriellen Seifenlotion sich und ihre Familie vor Infektionen besser schützen können. Den europäischen Behörden ist das Problem der zweifelhaften Wirksamkeit und der zunehmenden Hinweise auf erhebliche Umwelt- und Gesundheitsrisiken der Produkte bekannt. Trotzdem wächst das Warenangebot stetig.

Nach der Biozid-Verordnung zählen diese antibakteriellen Reinigungsartikel zu der Produktgruppe 1, zu den "Biozid-Produkten für die menschliche Hygiene", sofern sie nicht als Arzneimittel ausgewiesen sind. Bis die notifizierten Biozidwirkstoffe im Rahmen des Überprüfungsprogramms der EU schrittweise reguliert sind, werden noch Jahre vergehen. Momentan wird davon ausgegangen, dass das Programm bis 2024 abgearbeitet werden kann, vormals geplant war die Frist 2010. Erst nach einer Wirkstoffgenehmigung können sich Zulassungsprüfungen für formulierte Biozidprodukte wie keimabtötende Reinigungslotionen anschließen. Über diesen gesamten Zeitraum dürfen Hersteller ihre Produkte für die angemeldeten Verwendungen ungeprüft auf Wirksamkeit und Risiken auf dem EU-Markt anbieten. Die FDA scheint mit ihrem aktuellen Vorschlag zumindest bei der benannten Produktgruppe zeitlich einen deutlichen Schritt voraus zu sein. Ob die US-Regulierungen strenger ausfallen als in der EU, bleibt abzuwarten.

Zwischenzeitlich versuchen auch die deutschen Fachbehörden mithilfe von Informationsmaterialien beim Verbraucherverhalten gegenzusteuern. Beispielsweise wurde aktuell vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ein Informationsblatt zum Schutz vor Lebensmittelinfektionen herausgegeben (3). Die zentrale Botschaft zur Körperhygiene lautet: Hände waschen mit Seife reicht zum Schutz aus. Nur im Krankheitsfall und nur wenn vom Arzt oder Gesundheitsamt empfohlen sollte eine alkoholische Händedesinfektion erfolgen. Dies ist ein klares Votum gegen die vorsorgliche Verwendung antibakterieller Hygieneartikel. Allerdings ist fraglich, ob Verbrauchern die kleinen aber entscheidenden Unterschiede zwischen alkoholischen Desinfektionsmitteln und antibakteriellen Seifen oder zwischen normalen und antibakteriellen Seifen bei dieser Empfehlung ausreichend verständlich werden.

(Susanne Smolka, PAN Germany)

Literaturhinweise

(1) FDA (2013): FDA issues proposed rule to determine safety and effectiveness of antibacterial soaps. FDA News Release, 16 Dec. 2013: http://www.fda.gov/NewsEvents/Newsroom/PressAnnouncements/ucm378542.htm
(2) FDA (2013): Taking Closer Look at ‘Antibacterial’ Soap. Consumer Health Information: http://www.fda.gov/downloads/ForConsumers/ConsumerUpdates/UCM378615.pdf
(3) BfR (2013): Schutz vor Lebensmittelinfektionen im Privathaushalt: http://www.bfr.bund.de/cm/350/verbrauchertipps_schutz_vor_lebensmittelinfektionen_im_privathaushalt.pdf

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