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EU Wissenschaftler: Risikoprüfung auf Bienengefährlichkeit ist mangelhaft

31.08.2012, Susan Haffmans

Ein wissenschaftliches Gremium der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat die bestehende Risikoprüfung für die Bienengefährlichkeit von Pestiziden einer kritischen Prüfung unterzogen. Das Fazit: Die Risikoprüfung ist mangelhaft und muss überarbeitet werden.1

Honigbienen spielen eine bedeutende Rolle für die Pflanzenbestäubung, für die Sicherung von biologischer Vielfalt und Ernteerträgen und für die Herstellung von Honig und anderen Imkereierzeugnissen. Massensterben von Bienen durch Pestizide und der Verlust an Bienenvölkern in ganz Europa haben zu einer Besorgnis in der EU geführt und das Thema Bienenschutz auf die politische Agenda der EU gesetzt.

Der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), die 2002 in der Folge einer Reihe von Lebensmittelskandalen eingerichtet wurde, kommt bei der Sicherung der Bienenvolkgesundheit eine besondere Rolle zu, da sie auf behördlicher Ebene in Europa für die Sicherung und Verbesserung der Gesundheit von Tieren und Lebensmitteln und für den Verbraucherschutz zuständig ist. Das EFSA-Projekt aus dem Jahr 2009 zum Bienensterben und zur Überwachung von Bienenvölkern in Europa deckte Datenmängel auf und unterbreitete der EU eine Reihe von Vorschlägen, was zu tun sei, um zukünftig eine Überwachung der Bienenvölker-Entwicklung in Europa und eine Vergleichbarkeit zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Und es zeigte auf, was zu tun sei, um die einzelnen Faktoren, die mitverantwortlich gemacht werden für den Verlust an Bienenvölkern, besser zu untersuchen.2 Zu diesen untersuchten Faktoren gehörten Bienenkrankheiten und -schädlinge, Vergiftungen durch Pestizide, Auswirkungen gentechnisch veränderter Pflanzen sowie Stress aufgrund von Veränderungen der Ernährung und klimatischer Bedingungen. Im Mai 2012 stellte die EU- Kommission als Teil der Strategie gegen den Verlust von Bienenvölkern 3,3 Millionen Euro zu Verfügung, um die Datenlage zu verbessern und gezielt in 17 Mitgliedstaaten Untersuchungen zum Bienenvölker-Sterben durchzuführen.3

Dass Pestizide zu akuten Vergiftungen von Bienen führen können, ist bekannt, und die Prüfung auf Bienengefährlichkeit ist Bestandteil der Wirkstoffgenehmigung und Produktzulassung. Die 2009 in Kraft getretene neue Pestizid-Zulassungsverordnung stärkt die Belange von Bienen als zu schützende Nichtzielorganismen. Sie besagt, dass Wirkstoffe nur dann auf EU-Ebene genehmigt werden dürfen, wenn ihre Verwendung keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Bienengesundheit hat. Defizite bestehen jedoch nach wie vor bei der Bewertung der Bienengefährlichkeit.

Bienenvölker-Verluste in ganz Europa, wiederholte akute Schädigungen von Bienenvölkern durch Neonikotinoide und mehr Hinweise auf subletale Effekte haben nun endlich dazu geführt, dass die bisher praktizierte Risikoprüfung für die Bienengefährlichkeit einer Prüfung durch das EFSA Panel on Plant Protection Products and their Residues (PPR) unterzogen wurde. Das Fazit dieses von der EFSA beauftragten Gremiums ist eindeutig: Die Risikoprüfung ist dringend zu überarbeiten.

Die Wissenschaftler kritisieren, dass die bislang gültigen Grenzwerte weitgehend aus Kurzzeit-Tests abgeleitet seien, die die akute Toxizität (LD50) zugrunde legen. Würde man Langzeit-Versuche durchführen, könnten schon bei wesentlich geringeren Konzentrationen erhebliche Schäden auftreten. Das Risiko von Pestiziden wie Imidacloprid und Thiacloprid wurde demnach bislang wahrscheinlich erheblich unterschätzt, was nicht nur Bienen, sondern auch andere Nichtzielorganismen wie Wasserlebewesen und Bodenorganismen betrifft.

Auch die möglichen Expositionspfade über Pollen, Nektar, Staub oder Guttation nahm das Gremium unter die Lupe. Die Pestizid-Belastung des Guttationswassers beispielsweise variiert je nach Pflanze und Wirkstoff. Zudem sind Bienen je nach ihrem Entwicklungsstadium unterschiedlich stark exponiert. So sind Ammenbienen vor allem durch die orale Aufnahme von kontaminiertem Nektar und Pollen betroffen, Larven der Honigbiene über den Kontakt mit Wachs und die Aufnahme von Pollen und die Brut von Hummeln besonders über die Aufnahme von belasteten Pollen, den sie in vergleichsweise großen Mengen unverarbeitet als Nahrung zu sich nehmen. Auch verweist der Bericht auf die unterschiedliche Exposition von solitär lebenden Bienenarten und staatenbildenden Arten und kommt zu dem Schluss, dass die erheblichen Unterschiede zwischen den Arten eigene Risikoanalysen für Honigbienen, Hummeln und Solitärbienen notwendig machen.

Die Wissenschaftler verweisen auch auf Forschungslücken hinsichtlich Langzeiteffekten und fordern in diesem Zusammenhang Nachbesserungsbedarf, da zum Beispiel nicht genügend Informationen über die Langzeitwirkung von Pestiziden auf die Fruchtbarkeit und auf die Fortpflanzungsfähigkeit von Bienen vorlägen. Die Forscher gehen zudem auf die spezifische Entgiftungsschwäche der Einzelbiene ein und machen deutlich, dass die auf der akuten Toxizität beruhenden Tests nicht ausreichen, um Langzeitrisiken der Pestizidexposition abzuschätzen.

Auch die bislang fehlende Berücksichtigung möglicher Kombinationseffekte von Pestiziden auf Bienen wird kritisiert, sowohl was die Kombination unterschiedlicher Wirkstoffe angeht als auch die Interaktion zwischen Pestiziden und Bienenkrankheiten.

(Susan Haffmans)

1 EFSA Panel on Plant Protection Products and their Residues (PPR); Scientific Opinion on the science behind the development of a risk assessment of Plant Protection Products on bees (Apis mellifera, Bombus spp. and solitary bees). EFSA Journal 2012; 10(5) 2668. [275 pp.] doi:10.2903/j.efsa.2012.2668. Online unter: www.efsa.europa.eu/efsajournal
2 Bee Mortality and Bee Surveillance in Europe. Scientific report submitted to EFSA 2009 online unter http://www.efsa.europa.eu/ en/scdocs/doc/27e.pdf
3 http://www.efsa.europa.eu/de/topics/topic/ beehealth.htm


Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Juli/August 2012

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