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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Glyphosat - alltäglich und überall

23.05.2012, Susan Haffmans

Aus: Glyphosat: Tod auf dem Acker, Agrar Info 181 der Agrar Koordination

Glyphosat ist das meist ausgebrachte Pestizid weltweit.

Besser bekannt ist der Pestizid-Wirkstoff Glyphosat unter dem Handelsnamen Roundup des Konzerns Monsanto. Bei Glyphosat handelt es sich um ein Breitband- oder auch Total-Herbizid. Hierunter versteht man Unkrautvernichtungsmittel, die nicht selektiv, sondern gegen alle Pflanzen wirken, also sowohl Gräser als auch breitblättrige Pflanzen abtöten.

Zur Beseitigung von Unkräutern und Ungräsern wird Glyphosat sowohl in der Landwirtschaft als auch von Hobbygärtnern angewendet. Zudem wird Glyphosat gespritzt, um den kompletten Bewuchs ganzer Äcker totzuspritzen. Die so zerstörte Pflanzendecke lässt sich leichter pflügen, was nach Herstellerangaben zu erheblichen Einsparungen von Dieselkosten führt, oder es lässt sich die neue Ansaat im Rahmen sogenannter "Minimalbodenbearbeitung" direkt einsäen, ohne vorher zu pflügen. Eine weitere Anwendung des Total-Herbizids ist das Besprühen von Feldfürchten zur Abreifebeschleunigung (Sikkation). Hier werden Kulturen wie Raps, Getreide oder auch Linsen, die kurz vor der Abreife stehen, mit dem Herbizid besprüht, um eine gleichzeitige und schnellere Abreife zu erzielen. Wer mit offenen Augen durch die Landschaft geht, sieht sie: die leuchtend gelb-braunen Felder und die Bestände, die plötzlich braun sind. Glyphosat-haltige Herbizide werden von zahlreichen Firmen in vielen Ländern der Erde produziert. Da das Patent auf den Wirkstoff Glyphosat abgelaufen ist, existieren viele Generika. Allein in Malaysia gab es 2009 311 registrierte Glyphosat-haltige Pestizidprodukte. Die Anzahl der Produktnamen weltweit ist schier unüberschaubar. In Deutschland sind derzeit 73 Glyphosat-haltige Pestizid-Produkte, darunter 12 Roundup-Präparate, auf dem Markt 1.

Dass Glyphosat heute das meist verkaufte Herbizid weltweit ist, liegt an der Agrogentechnologie. Mehr als 95% des genetisch veränderten Sojas und rund 75% der sonstigen genetisch veränderten Pflanzen wurden derart gentechnisch verändert, dass sie resistent gegenüber den herbiziden Eigenschaften von Glyphosat sind. Dies bedeutet, dass diese so genanten "Roundup-Ready"-Kulturpflanzen nicht absterben, wenn sie mit Roundup besprüht werden. 19 Mio. Hektar, also rund die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche Argentiniens ist bereits mit Roundup-Ready-Soja bestellt - das ist weit mehr als die gesamte landwirtschaftliche Fläche Deutschlands 2. In Nordamerika und Argentinien ist bereits über 90% des angebauten Sojas Roundup-Ready-Soja. Ein Großteil des Gensojas landet in europäischen Futtertrögen und von dort auf unserem (Fleisch)teller: 78% der in der EU eingesetzten Eiweißfuttermittel in der Tierproduktion stammen aus Importen, der größte Teil davon ist gentechnisch verändertes Soja 3.

Vergiftungsfälle in Südamerika

Umfangreiche Werbemaßnahmen zur Förderung des Absatzes von Roundup haben zu der häufig vertretenen Annahme geführt, dass dessen Verwendung "sicher" sei. Die hohe Zahl an Geburtsfehlern bei Bewohnern landwirtschaftlicher Gebiete, in denen genetisch verändertes Soja angebaut wird, Forschungsergebnisse über Missbildungen bei Embryonen von Hühnern und Fröschen bereits durch niedrige Dosierungen von Glyphosat und dokumentierte Vergiftungsfälle aus Lateinamerika haben jedoch Zweifel an der geringen Giftigkeit dieses Pestizids aufkommen lassen 4. Glyphosat hat laut Weltgesundheitsorganisation zwar nur eine niedrige akute Toxizität, doch Beistoffe in den Produkten erhöhen vielfach die Giftigkeit der Präparate. Der Beistoff Tallowamin beispielsweise setzt die Oberflächenspannung des Präparats herab, um so das Eindringen von Glyphosat in die Pflanze zu erleichtern. Dass die Beimischung dieses Netzmittels auch die Toxizität des Pestizidpräparates erhöht, ist seit langem bekannt 5. Auch andere Eigenschaften, wie die systemische Wirkung von Glyphosat, die ermöglicht, dass der einmal ausgebrachte Wirkstoff sich über die Pflanzensäfte in alle Pflanzenteile, auch in die Neuzuwächse, verteilt, und Forschungsergebnisse, wie der Nachweis von Glyphosat im menschlichen Urin, rücken in den kritischen Fokus von Gesundheits- und Umweltschützern. Rückendeckung bekamen sie 2008 aus Frankreich. Hier wurde Monsantos Werbeaussage, das Herbizid sei "biologisch abbaubar" und "umweltfreundlich" 2008 vom Strafgericht in Lyon als Falschaussage entlarvt. Monsanto musste ein Bußgeld zahlen und scheiterte mit dem Versuch, das Gerichtsurteil anzufechten 6.

Längst gibt es Nachweise von Glyphosatrückständen in oberflächennahen Grundwässern, die über dem fünffachen des Trinkwassergrenzwertes für Pestizide (0,1 µg/l) liegen. Zudem belegen Studien die Schädigungen von Amphibien durch Roundup 7. Untersuchungen zeigten, dass selbst geringere Konzentrationen, wie sie durch den regulären Einsatz von Glyphosat in der Umwelt vorkommen, ein Absterben von bis zu 71% der untersuchten Kaulquappen bewirken. Wie sieht es mit Rückständen in Lebensmitteln aus? Rückstände von Glyphosat in Obst, Fleisch und Gemüse lassen sich nicht einfach durch Schälen oder Waschen beseitigen. Da die Analyse von Glyphosat und seinen Abbauprodukten nicht mit den Standardanalyseverfahren erfasst werden, werden Rückstände nicht routinemäßig erfasst. Doch 2011 verzeichnet das europäische Warnsystem für Nahrungs- und Futtermittel, das Rapid Alert System for Food and Feed (RASFF) die höchste bislang registrierte Anzahl an Meldungen von Überschreitungen des so genannten Rückstandshöchstgehaltes für Glyphosat. Rückstandshöchstgehalte sind maximal erlaubte Grenzwerte für Rückstände in Lebensmitteln und Futtermitteln, die für jeden Wirkstoff produktspezifisch festgelegt werden. Für Glyphosat liegt dieser Wert für die meisten Lebensmittel bei 0,1 mg/kg. Diese Grenzwerte für Pestizidrückstände sind weltweit uneinheitlich. Sicher ist: Wird Glyphosat zur Abreifebeschleunigung kurz vor der Ernte eingesetzt, wie beispielsweise bei Linsen in Kanada oder den USA; dann lassen sich die EU-Grenzwerte nicht einhalten. Um Exporteinbußen vorzubeugen, haben die betroffenen Länder Gespräche mit der EU aufgenommen. Das Ziel der exportierenden Länder und Pestizidhersteller ist hierbei klar: Eine Hochsetzung des EU-Grenzwerts für Glyphosat in Linsen.

Verlängerung der Zulassung ohne Neubewertung

In diesem Jahr hätte die Zulassung für Glyphosat eigentlich auslaufen müssen, sie wurde jedoch ohne umwelt- und humantoxikologische Neubewertung bis 2015 verlängert. Als Berichterstatter bei der Wirkstoffgenehmigung ist Deutschland Schaltstelle zwischen der Pestizidindustrie und der EU Kommission und hierbei für die Auswertung der Industrie-Studien und die Erstellung des Prüfberichts verantwortlich. Um dieser besonderen Verantwortung gerecht zu werden, sollten die Hinweise auf bislang nicht berücksichtigte Umwelt- und Gesundheitsgefahren ernst genommen werden. Viel Hoffnung darauf, dass sich die derzeitige Bundesregierung für eine Neubewertung des Wirkstoffs und Aussetzung der Glyphosat-Zulassung einsetzt gibt es derzeit nicht: Ein entsprechender Antrag der Opposition wurde im Februar abgelehnt.

Dipl.-Ing. agr. Susan Haffmans, PAN Germany

Korrigierte Fassung 9/12

1 BVL-Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel in Deutschland, https://portal.bvl.bund.de/psm/jsp/, Download am 174.3.2012
2 Statistisches Bundesamt Bodennutzung in Deutschland 2011:
https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/Wirtschaftsbereiche/LandForstwirtschaft/Bodennutzung/Tabellen/HauptnutzungsartenLF.html?nn=50896
3 1 Agrar Koordination (2011): Der Futtermittel Blues 2.0 online unter http://www. agrarkoordination.de/fileadmin/dateiupload/ PDF-Dateien/TAZ-Beileger_AgrarInfo_ Ansicht-17-5-2011.pdf und Informationen zur Kampagne online unter http://www.agrarkoordination.de
4 Report GM Soy- Sustainable? Responsible? Online unter http://www.gmwatch.org/files/GMsoy_SustainableResponsible_Sept2010_Summary.pdf
5 Vgl. Perschau A. (2009): Roundup® in Frankreich: Monsanto und Regierung in Erklärungsnot. In: Pestizid-Brief Nov./Dez. 2009, online unter
http://www.pan-germany.org/deu/~news-926.html
6 http://www.eau-et-rivieres.asso.fr/index.php?47/260. In: Eau & Rivières. Abgerufen am 10. November 2011 (französisch, Information von Eaux et rivières de Bretagne mit Auszügen des Urteils).
7 Rick A. Relyea (2005a): The impact of insecticides and herbicides on the biodiversity and productivity of aquatic communities. Ecological Applications: Vol. 15, No. 2, pp. 618-627.
Studie und Gegendarstellung zur Monsanto-Kommentierung: http://www.pitt.edu/~relyea/roundup.html

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