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Verbotenes Pestizid "Santana" erneut befristet zugelassen

30.04.2012, PAN Germany, Susan Haffmans

Für konventionelle Maisbauern mag es eine gute Nachricht sein, für Imker, Natur- und Umweltschützer ist es eine schlechte: Wie auch schon 2010 und 2011, hat das Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auch in diesem Jahr das Insektenvernichtungsmittel Santana mit dem Wirkstoff Clothianidin wieder befristet zugelassen1.

Die befristete Zulassung zur Drahtwurmbekämpfung im Mais erfolgte als "Zulassung für Notfallsituationen". Diese EU-weite Regelung erlaubt eine auf 120 Tage begrenzte Zulassung von Pestizidprodukten, die längst verboten sind oder die für bestimmte Kulturpflanzen eigentlich nicht zugelassen sind, für den Fall, dass eine "Gefahr anders nicht abzuwehren ist". Rechtsgrundlage war früher die so genannte "Gefahr im Verzug" Regelung. Seit Juni 2011 regelt Artikel 53 der Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 diese befristete Ausnahme vom totalen oder teilweisen Verbot. Der Antrag auf Notfall-Zulassung wurde laut BVL von der Firma Nufarm GmbH eingereicht. Santana wurde somit zum dritten Mal in Folge über die Notfallregelung zugelassen.

Das Pestizid "Santana" stellt hier keinen Einzelfall dar. Auch für 120 Tage zugelassen wurde das BASF-Produkt Goldor Bai zur Drahtwurmbekämpfung im Kartoffelanbau mit dem ebenfalls hoch bienengefährlichen Wirkstoff Fipronil und das Syngenta-Produkt Actara mit dem bienengefährlichen Wirkstoff Thiamethoxam zur Anwendung im Hopfen, um nur einige zu nennen.

Unter dem Deckmantel der Notfallsituation werden Jahr für Jahr Ausnahmen für verbotene Pestizide genehmigt. 2011 wurden allein in Deutschland 35 Pestizid-Produkte über die Notfallregelung zugelassen. Eine 2011 europaweit durchgeführte Auswertung der Genehmigungen in Notfallsituationen zeigt, dass entgegen der Absicht, hier Ausnahmen zu regeln, die Genehmigungen für Notfallsituationen in den letzten vier Jahren von 59 auf 310 gestiegen sind.

Das Mittel "Santana" ist ein Mikrogranulat, das den Wirkstoff Clothianidin enthält. Clothianidin hat aufgrund seiner hohen Bienentoxizität traurige Berühmtheit erlangt. 2008 war er für das Massensterben von 11.500 Honigbienen-Völkern und einer unbekannten Anzahl von Wildbienen in Deutschland verantwortlich. Damals wurden die Bienen durch die Stäube beim Aussäen des behandelten Saatguts kontaminiert. Längst ist bekannt, dass die wasserlöslichen, systemischen und hoch bienengiftigen Neonicotinoide, zu denen Clothianidin zählt, nicht am Ort ihrer Ausbringung verweilen, sondern sich überall in der Pflanze verteilen. Auf diese Weise können Honig- und Wildbienen auch über belasteten Nektar und Pollen mit dem Wirkstoff in Kontakt kommen. Auch die Kontamination über das so genannte Guttationswasser wird zunehmend als Problem erkannt. Hierbei handelt es sich um kleine Tropfen, die von Pflanzen bei bestimmten Temperaturen ausgeschieden werden, die erhebliche Pestizidkonzentrationen aufweisen können und von den Bienen zur Deckung ihres Flüssigkeitsbedarfs aufgenommen werden. Neben Clothianidin enthält "Santana" nach Angaben des BVL weitere Inhaltstoffe, die jedoch unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Zulassungsinhabers fallen und somit durch das BVL nicht veröffentlicht werden.

Die erneute Notfall-Zulassung für Santana zeichnet das Bild einer scheinbar alternativlosen Situation hinsichtlich des Drahtwurmbefalls im Mais auf. Doch wenngleich sich der Drahtwurm laut Fachbeirat nachhaltiger Pflanzenbau des BVL zum Hauptschädling in unterschiedlichen Kulturen entwickelt2, sind doch Alternativen zur Bekämpfung des Drahtwurms bekannt. In der ökologischen Landwirtschaft beispielsweise werden bereits Verfahren angewendet, die einem Drahtwurmbefall vorbeugen und somit erst gar keine "Notfallsituation" entstehen lassen. So können bereits mit der Auswahl der zu bewirtschaftenden Fläche, der Auswahl der Vorfrucht, der Gestaltung der Fruchtfolge sowie der Terminierung der Aussaat Bedingungen geschaffen werden, die den Schädling in seiner Entwicklung erheblich beeinträchtigen und die Gefahr eines starken Befalls sinken lässt. Außerdem lässt sich durch mechanische Bodenbearbeitung und die Vermeidung von Maisanbau nach Grünlandumbruch der Befallsdruck einschränken.

Imker und ihre Bienen sehen sich mit der Zulassung von "Santana" nun gleichermaßen einer "Notsituation" ausgesetzt. Sie können hoffen, dass das Mittel nicht auf Nachbarflächen angewendet wird. Wenn doch, dann müssen sie sich entscheiden, ob sie mit ihren Bienenkästen fliehen oder bleiben und hoffen, dass es zu keiner akuten oder chronischen Vergiftung ihrer Völker kommt.

(Susan Haffmans)

1 Hintergrundinformationen zu Zulassungen für Notfallsituationen des BVL unter http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/01_ZugelPSM/02_Genehmigungen/psm_ZugelPSM_genehmigungen_node.html;jsessionid=448B6591867B55408C79D3A24D3ED611.1_cid103#doc1400532bodyText1
2 Protokoll der 11. Sitzung des Fachbeirates "Nachhaltiger Pflanzenbau" im BVL am 24. und 25. Februar 2011 S. 3-4 online http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/04_Pflanzenschutzmittel/fachbeirat_nachpflbau_prot_11.pdf?__blob=publicationFile&v=2


Aus: PAN Germany Pestizid-Brief März/April 2012

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