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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Pestizide & biologische Vielfalt

23.12.2010, PAN Germany, Susan Haffmans

Aus: PAN Germany PestizidBrief November/Dezember 2010

Eine neue PAN Germany Studie stellt die negativen Auswirkungen chemisch-synthetischer Pestizide auf die biologische Vielfalt dar. Die Gefährdung der Pflanzenvielfalt, von Bodenlebewesen und Gewässerorganismen, Amphibien, Bestäubern und Vögeln durch Pestizide wird exemplarisch betrachtet. Die Studie verdeutlicht, dass der Einsatz von Pestiziden einen erheblichen negativen Einfluss auf die biologische Vielfalt hat und sie erlaubt Schlussfolgerungen für notwendige Maßnahmen1.

Die Biodiversität in Agrarlandschaften ist durch zahlreiche Faktoren bestimmt. Einige dieser Faktoren, etwa die geographischen und klimatischen Gegebenheiten, müssen als gegeben angesehen werden. Andere sind bestimmt durch die Landwirtschaft, etwa die Art der Bodenbearbeitung, die Vielfalt angebauter Kulturfrüchte, das Fruchtfolgeregime, die Düngungsintensität und die Art des Pflanzenschutzes. Der Einsatz von Pestiziden im Pflanzenschutz wirkt sich direkt und indirekt auf die biologische Vielfalt aus. Wissenschaftliche Erkenntnisse über den Einfluss bestimmter chemisch-synthetischer Pestizide auf Nicht-Zielorganismen sind, sofern sie im Rahmen von Pestizid-Zulassungsverfahren gesammelt wurden, nicht öffentlich zugänglich. Doch gibt es auch veröffentlichte Untersuchungen, die Aussagen über den Einfluss von Pestiziden auf Lebensgemeinschaften oder Einzelarten machen. Die neue PAN Publikation "Auswirkungen chemisch-synthetischer Pestizide auf die biologische Vielfalt" basiert auf den Ergebnissen zahlreicher Laboruntersuchungen und Feldstudien, die den Zusammenhang zwischen Pestizideinsatz und direkten sowie indirekten Effekten auf aquatische Lebensgemeinschaften, Bodenorganismen, Vögel, Bestäuber, Amphibien und Pflanzen aufzeigen.

Pflanzen sind für die biologische Vielfalt sehr bedeutsam. Geht die Vielfalt an Kulturpflanzen und Wildpflanzen zurück, reduziert sich auch die Vielfalt der von den Pflanzen abhängigen Tiere. Als Faustregel gilt: Mit einer Pflanzenart verschwinden 10-12 Tierarten. Über Jahrhunderte hat die landwirtschaftliche Nutzung zum Erhalt und zur Ausbreitung von Arten beigetragen. Doch die über Jahrzehnte fortschreitende Intensivierung wird heute für den Verlust von biologischer Vielfalt mit verantwortlich gemacht. Zu den nutzungsbedingten Ursachen des Rückgangs der Pflanzenvielfalt zählt der Einsatz von Herbiziden. Im letzten Jahrhundert haben sich die Wildpflanzengesellschaften auf landwirtschaftlich genutzten Flächen in ihren Zusammensetzungen erheblich geändert und sie sind insgesamt stark zurückgegangen. Der pflanzliche Samenvorrat der Ackerböden in Deutschland lag in den fünfziger Jahren noch bei 30.000-300.000 Samen je qm und ist bis in die neunziger Jahre auf 1.000-2.500/qm zurückgegangen. Bei einer Dichte von 100-300 Samen pro qm keimen kaum noch Pflanzen. Diese Pflanzen fehlen dann als Habitat und Nahrung für Insekten und andere Tiere. Mittlerweile ist die Artenzahl der Ackerbegleitpflanzen auf 16 bis 22 Arten im ökologischen Landbau, 12 bis 3 Arten im integrierten und 9 bis 2 Arten im konventionellen Landbau zurückgegangen. Zurückgeführt wird diese Entwicklung größtenteils auf die chemische Unkrautregulierung mit Herbiziden. Werden die Ackerbegleitpflanzen durch den Herbizideinsatz geschädigt, hat dies Auswirkungen auf die gesamte Fauna in landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Gegenmaßnahmen zum Artenrückgang der Pflanzen sind bekannt: Eine Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden, mehr Sommerungen in den Fruchtfolgen, der Erhalt von Ackerrandstreifen und Hecken, die Förderung von Ackerbrachen sowie auch die Umstellung der Wirtschaftsweise auf eine ökosystembasierte landwirtschaftliche Produktion.

Mikroorganismen, Würmer, Insekten, Spinnen und andere kleine Lebewesen sind ebenfalls für den Erhalt der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung. Viele Mikroorganismen sind wichtige ökologische Funktionsträger und bilden aufgrund ihrer enormen Vielfalt den größten genetischen Schatz auf unserer Erde. Insektizide, Fungizide und Herbizide wirken sich auf diese Organismen aus. Herbizide mit dem Wirkstoff Glyphosat, aber auch Fungizide wie Captan, können die bakterielle Zusammensetzung des Mikrokosmos in Sedimenten verändern. Das Glyphosat-haltige Pestizid Roundup® verändert die mikrobielle Zusammensetzung von Gewässern, die Menge des kleinen Phytoplanktons, des Mikro- und Nanoplanktons sinkt, während die Zahl der Cyanobakterien um ein Vielfaches steigt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf die Sauerstoffproduktion und die Nahrungspyramide in stehenden und fließenden Gewässern. Das Herbizid Pendimethalin, das im Ackerbau und Gemüsebau gegen Unkräuter und Ungräser eingesetzt wird, wirkt schädigend auf Springschwänze, Regenwürmer und Asseln und beeinflusst somit Zersetzungsprozesse und Humusbildungsprozesse im Boden. Auch die negativen Auswirkungen von Pestiziden auf Arthropoden sind dokumentiert.

Vögel der Agrarlandschaften leiden besonders unter der fortschreitenden Intensivierung und Monotonisierung der landwirtschaftlichen Flächennutzung. Hierzu trägt auch der Einsatz von Pestiziden bei. Neben indirekten negativen Auswirkungen des Insektizid- und Herbizideinsatzes, die eine Reduzierung der Nahrungsquellen bewirken, kommt es auch zu direkten Gefährdungen der Avifauna. Neben Carbofuran werden vor allem Organophosphate als Auslöser von Vergiftungen beschrieben. Und die Studie macht deutlich: Auch Vögel, die nicht direkt zu Tode kommen, leiden unter den Folgen des Pestizideinsatzes, denn viele Pestizide wirken auf das zentrale Nervensystem und das Hormonsystem. Das Brutpflegeverhalten der Tiere ändert sich und ihr Immunsystem wird geschwächt. Die Studie skizziert nicht nur die Gefährdung, sondern sie zeigt auch, dass Schutzmaßnahmen Erfolge bringen. Auch konventionell bewirtschaftete Flächen bieten die Möglichkeit, zum Schutz von Vögeln beizutragen. Denn wichtige Nahrungspflanzen für Samen fressende Vögel, etwa Vogelknöterich, Vogelmiere und Rispengras, kommen auch hier vor.

Dass Bienen und andere Bestäuber durch Pestizide erheblich geschädigt werden können, ist mittlerweile über Fachkreise hinaus bekannt. Bestäuberinsekten sind für den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Sicherung unserer Nahrungsgrundladen von herausragender Bedeutung. Die Studie verdeutlicht die Wechselwirkung zwischen Bestäubern, Bestäubungsleistung, naturnahen Landschaftselementen und Pflanzenschutz. Wildpflanzen, die Bestäubern als Nahrungspflanzen dienen, werden durch den Einsatz von Herbiziden vernichtet. Zudem werden Bestäuber direkt durch den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide geschädigt. Rückstände chemisch-synthetischer Pestizide lassen sich regelmäßig in Bienen und Bienenprodukten wie Pollen und Honig nachweisen. Gerade Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide, zu denen Clothianidin und Imidacloprid zählen, wirken sich schädigend auf die Bienen aus. Sie verlangsamen ihre Besuche an Blüten unnatürlich und wirken sich negativ auf das Lernvermögen der Bienen aus. Die Studie macht Aussagen zur Exposition von Bestäubern und dazu, wie über ein verbessertes Risikomanagement und durch eine bessere Vorsorge Bestäuber zukünftig besser vor den negativen Auswirkungen der Pestizide geschützt werden können.

Abschließend werden Amphibien näher betrachtet. Durch direkten Eintrag, Abdrift und Abfluss gelangen Pestizide in Gewässer und wirken sich nachteilig auf aquatische Lebensgemeinschaften aus. Amphibien sind in allen Entwicklungsstadien Pestiziden ausgesetzt. Besonders empfindlich sind der Laich und Kaulquappen. Pestizide können Amphibien direkt schädigen, aber auch das Verhalten und die Entwicklung von Amphibien negativ beeinflussen und den Hormonhaushalt der Tiere stören.

Studien zeigen, dass Pestizidwirkungen nicht auf Zielorganismen und Zielhabitate beschränkbar sind. Sie liefert viele Beispiele dafür, wie Nicht-Zielorganismen, darunter viele Nützlinge und benachbarte Lebensräume, durch den Einsatz von Pestiziden in Mitleidenschaft gezogen werden.

Mit der Publikation hofft PAN Germany, der Diskussion um die Frage "Was sind negative Einflüsse des Pestizideinsatzes auf die biologische Vielfalt?" neue Impulse zu geben. Darüber hinaus leitet PAN Germany aus den beschriebenen negativen Einflüssen des Pestizideinsatzes notwendige Maßnahmen ab, die zu einer Verbesserung des Schutzes der Biodiversität beitragen können.

(Susan Haffmans)

1 PAN Germany (2010): Auswirkungen chemisch-synthetischer Pestizide auf die biologische Vielfalt. 32 Seiten. 5,50€ oder kostenloser Download unter www.pan-germany.org.

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