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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Biozide fördern Antibiotikaresistenzen

26.02.2010, PAN Germany, Susanne Smolka

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Januar / Februar 2010

Schon lange besteht der Verdacht, dass der Einsatz von Desinfektionsmitteln, zum Beispiel in antibakteriellen Reinigern, eine Rolle bei den dramatisch ansteigenden Antibiotikaresistenzen spielen könnte. Diesem Problem hat sich nun die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der EU-Kommission angenommen und das 2009 veröffentlichte SCENIHR-Gutachten unter den Titel "Auswirkungen von Bioziden auf Antibiotikaresistenzen" in leicht verständlicher Lesart online veröffentlicht.1 Bis Ende März 2010 führt die Behörde eine öffentliche Konsultation über Maßnahmen gegen Antibiotikaresistenzen durch.2

Hygiene im Haus hat schon längst nichts mehr mit dem Händewaschen und Putzen mit Wasser und Seife zu tun, jedenfalls nicht nach Ansicht der Hersteller von Desinfektionsmitteln, antibakteriellen Reinigungsmitteln und ähnlichen Produkten. Gezielt werden in der Werbung Privathaushalte angesprochen und Urängste vor krankmachenden Keimen verkaufsfördernd eingesetzt. Beispiele sind die Firmen Sagrotan oder Unilever (Domestos). Mittlerweile gibt es neben Reinigungsmitteln auch antibakteriell ausgerüstete Kühlschränke, Textilien oder sogar antibakteriell beschichtete Müllbeutel.

Bereits seit vielen Jahren warnen das Umweltbundesamt (UBA), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR, früher BgVV) und das Robert-Koch-Institut (RKI) vor den Einsatz von antibakteriell wirkenden Mitteln und Produkten in Privathaushalten. Diese gehörten in Arztpraxen oder Krankenhäuser, aber nicht in private Badezimmer oder Küchen, so die Experten.3 Diese ungewöhnlich deutlichen Warnungen verhallten aber bislang so gut wie ungehört. Im Gegenteil, die Hersteller scheinen völlig unbeeindruckt und der Markt für neue antibakterielle Produkte boomt.

Gerade in deutschen Krankenhäusern gibt es einen dramatischen Anstieg an schwerwiegenden bis hin zu tödlichen Krankheitsverläufen bei Patienten, die sich während ihres Klinikaufenthaltes mit resistenten Keimen infiziert haben. Selbstverständlich gibt es eine Reihe von Ursachen für Antibiotikaresistenzen. So wird grundsätzlich das Risikomanagment bei Antibiotikaresistenzen immer schwieriger, weil die Pharmaindustrie kein Interesse an der Entwicklung neuer Stoffklassen von Antibiotika zeigt und somit der Nachschub an neuen Medikamenten fehlt. Eine weitere Ursache ist der hohe Einsatz an Antibiotika in der Massentierhaltung, die dann in erheblichen Mengen letztlich in Böden und Gewässer gelangen und ggf. im vermarkteten Fleisch verbleiben.

Im welchem Umfang tragen aber die Biozide in Krankenhäusern, Betrieben und eben auch in Privathaushalten zu dem Wachsen des Problems bei? Bislang ist dies eine unbeantwortete Frage, so die EU Kommission auf ihrer Internetseite, denn es gibt keine Testmethoden, um dies "in der Praxis" "klar und ohne Zweifel" feststellen zu können. Außerdem gäbe es viel zu wenige Daten darüber, welche Biozide wo und wann eingesetzt werden, über ihren Verbleib und über die Exposition von Bakterien gegenüber den verwendeten Wirkstoffen. Andererseits wird herausgestellt: "Die Möglichkeit, dass die Verwendung von Bioziden zur Entwicklung von antibiotikaresistenten Bakterien führen könnte, wurde bereits in mehreren Laborstudien aufgezeigt". Als Empfehlung werden mehr Daten und mehr Forschung vorgeschlagen und es wird darauf hingewiesen, dass Überwachungsprogramme aufgestellt werden sollten, um den Grad der Resistenzen und Kreuzresistenzen im Gesundheitswesen, Veterinärbereich und in der Lebensmittelindustrie zu kontrollieren. Außerdem sollten Biozide nicht unnötig eingesetzt werden. Werden sie verwendet, dann sollten die Konzentrationen hoch genug sein, um alle behandelten Bakterien abzutöten und das Resistenzrisiko auszuschließen.

Die Konsequenz sollte aus PAN-Sicht sein, solche Produkte nicht weiter für Privathaushalte anzubieten. Denn selbst die Hersteller bewerben ihre Produkte nur mit einer Wirksamkeit von höchstens 99,9%. Und eine sichere Desinfektion kann nur von gut geschultem Personal durchgeführt werden. Es erscheint notwendig, dass die klare Position deutscher Fachbehörden zu antibakteriellen Produkten in Privathaushalten in den EU-Gremien mehr Gehör findet und endlich effektive politische und legislative Maßnahmen zur Risikoreduktion angeschoben werden.

Das Gesamtproblem der Antibiotikaresistenzen, das wie erwähnt auch ein Problem der konventionellen Landwirtschaft ist, wird von der EU Kommission nun als prioritäres Arbeitsfeld angegangen. Die Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz hat ein Arbeitspapier als Diskussionsgrundlage für eine öffentliche Konsultation vorgelegt, um Meinungen einzuholen, mit welchen Maßnahmen den steigenden Risiken begegnet werden könnte. Eingeladen sind Interessenvertreter, Behörden sowie Human- und Tiermediziner. Sie können ihre Position und ihre Vorschläge bis Ende März 2010 online der EU-Kommission übermitteln.2

(Susanne Smolka)

1 DG Health and Consumer Protection (2009): Auswirkungen von Bioziden auf Antibiotikaresistenzen. Zusammenfassung eines wissenschaftlichen Gutachtens, das 2009 durch den Wissenschaftlichen Ausschuss für neu auftretende und neu identifizierte Gesundheitsrisiken (SCENIHR) veröffentlicht wurde; siehe http://ec.europa.eu/health/opinions/de/ biozide-antibiotikaresistenz/index.htm
2 Siehe http://ec.europa.eu/food/consultations/index_en.htm
3 BgVV (2000): Antibakterielle Reinigungsmittel im Haushalt nicht erforderlich. Gemeinsame Pressemitteilung von Umweltbundesamt (UBA), Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) und Robert Koch-Institut (RKI), 17/2000, 22.8.2000: Siehe http://www. bfr.bund.de/cd/890

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