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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Klimaschutz durch Stärkung der Agrobiodiversität

21.01.2009, PAN Germany, Susan Haffmans

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief November / Dezember 2009

Durch den Klimawandel bedingte Umweltkatastrophen tragen dazu bei, dass die Ernährungssicherung weltweit zunehmend gefährdet ist. Vor diesem Hintergrund fordern deutsche NGOs in einem Positionspapier1 die deutsche Delegation bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen und Vertreter der zuständigen Ministerien dazu auf, die hohe Bedeutung von Agrobiodiversität für die zukünftige Ernährungssicherung stärker zu berücksichtigen.

Der Klimawandel stellt die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Extremwetter-Ereignisse wie Stürme, Überflutungen und Dürren sowie der Anstieg des Meeresspiegels vernichten bereits heute weltweit Ernten und fruchtbares Ackerland. Zuverlässige Prognosen sagen auch bei drastischen Emissionsminderungen eine weitere Zunahme der Schäden durch die Folgen des Klimawandels voraus. Die Ernährungssicherung wird hierdurch zunehmend gefährdet. Schon heute hungert jeder sechste Mensch auf der Erde. Deshalb sind Strategien zur Anpassung der Landwirtschaft an die Herausforderungen des Klimawandels dringend notwendig.

Zur Ernährungssicherung werden derzeit vor allem technische Lösungen ins Feld geführt, wie der verstärkte Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden, die Anlage großflächiger Bewässerungssysteme sowie die Konzentration auf die Förderung einzelner dürreresistenter und fluttoleranter Sorten. Nur selten wird auf Maßnahmen geschaut, die Bäuerinnen und Bauern vielerorts schon seit Jahrhunderten erfolgreich betreiben: Sie nutzen die landwirtschaftliche Vielfalt an Arten, Sorten und nicht-homogenen Linien in unterschiedlichen Anbausystemen. Denn eine große Vielfalt erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass nur ein Teil der Ernte durch Wetter-Ereignisse zerstört wird.

Agrobiodiversität wirkt wie eine Versicherung, die für Kleinbauern günstig und selbst bestimmt nutzbar ist. Sie ist somit ein entscheidendes Element der Ernährungssicherung. Sowohl der internationale Ausschuss für Klimafragen IPCC (Intergovernmental Panel for Climate Change) als auch die Deutsche Anpassungsstrategie (DAS) betonen, dass eine nachhaltige und diversifizierte Landwirtschaft den Druck des Klimawandels abfedert. Ernährungssicherung ist in erster Linie ein Problem des Zugangs zu Nahrung und keine Frage der Gesamtproduktion. Der Weltagrarbericht (IAASTD) stellt hierzu klar, dass die kleinbäuerliche Landwirtschaft mit ihrem lokalen Wissen in besonderem Maße zur Ernährungssicherung und zur landwirtschaftlichen Vielfalt beiträgt. Diese Erkenntnisse müssen in alle landwirtschaftlich relevanten Klimaverhandlungen und Forschungsförderungen einbezogen werden. Der Erhalt der landwirtschaftlichen Vielfalt ist ein Instrument zur Umsetzung des Menschenrechts auf Nahrung. Umso erstaunlicher ist, dass das Verhandlungspapier für Kopenhagen bisher an keiner Stellte einen Hinweis auf die Förderung der Agrobiodiversität enthält.

Nach Ansicht von Nichtregierungsorganisationen1 ist daher bei der Diskussion um Anpassungen in der Landwirtschaft eine Berücksichtigung der folgenden Punkte dringend erforderlich:

Vorrang für Nachhaltigkeit:
  • Einer lokal angepassten, nachhaltigen Landwirtschaft und kleinbäuerlichen, vielfältigen Produktion ist Vorrang einzuräumen.
  • Agrobiodiversität muss als zentrale Anpassungsstrategie erkannt und vor Ort auf dem Feld gefördert, geschützt und weiterentwickelt werden.
  • Das Kriterium ?Homogenität muss als Bedingung der Sortenzulassung abgeschafft werden.
  • ?Preisdumping durch Exporte, die lokale Märkte zerstören, muss verhindert werden.
  • Bestrebungen in Richtung einer "klimaeffizienten Intensivierung" der Landwirtschaft dürfen der Agrobiodiversität nicht schaden.
Keine geistigen Eigentumsrechte auf genetische Ressourcen:
  • Anpassungsstrategien müssen benachteiligte Gruppen stärken und ihnen freien Zugang zu genetischen Ressourcen ermöglichen.
  • Wie im Internationalen Saatgutvertrag der FAO gefordert, müssen die Rechte der Bauern (Farmers Rights) in den nationalen Saatgutgesetzgebungen verankert werden.
Partizipation und Kapazitätsaufbau:
  • Anpassungsstrategien müssen das Wissen von Kleinbauern und Erfahrungen bäuerlicher Pflanzenzüchtung partizipativ berücksichtigen.
  • Anpassungsstrategien sollten eine gleichberechtigte Partnerschaft zwischen Bauern und Forschern sowie den Austausch zwischen Landwirten anderer Nationalitäten fördern.
  • Die Zivilgesellschaft sollte in Entscheidungen über die Verwendung von Anpassungsgeldern mit einbezogen werden.
Kohärenz mit Minderungsstrategien:
  • Emissionsminderungsmaßnahmen der Klimapolitik müssen mit den Zielen der Anpassungsstrategien kohärent sein und dürfen die Ernährungssicherung nicht gefährden.
Finanzielle Förderung:
  • Zusätzliche Mittel zur Finanzierung der Anpassung an den Klimawandel müssen bereitgestellt werden.
  • Die finanzielle Förderung muss in größerem Maße als bisher in die Unterstützung einer lokal angepassten und genetisch vielfältigen Landwirtschaft fließen.
  • ?Die nationale und internationale Agrarforschung muss stärker an den Belangen der Kleinbauern ausgerichtet werden.

(Susan Haffmans)

1 Das Positionspapier "Vielfalt als Anpassungsstrategie der Landwirtschaft im Klimawandel" entstand im Rahmen eines Workshops, der von Misereor und BUKO Agrar Koordination am 2./3.11.09 in Hamburg veranstaltet wurde.

Das vollständige Positionspapier ist zu finden unter www.bukoagrar.de oder www.pan-germany.org.

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