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Biozid-Wirkstoffe bleiben länger ungeprüft

20.12.2008, PAN Germany, Susanne Smolka

AUS: PAN Germany Pestizid-Brief November/Dezember 2008

Die Implementierung der 1998 in Kraft getretenen EU-Biozidrichtlinie ist noch lange nicht abgeschlossen. Eine große Anzahl alter Biozid-Wirkstoffe müssen noch überprüft werden. Nun möchte die EU-Kommission die Frist des Reviewprogramms verlängern1.

Zehn Jahre sollte es dauern, um alle Biozid-Wirkstoffe, die bereits vor dem Stichtag 14. Mai 2000 auf dem europäischen Markt waren, systematisch einem Bewertungsverfahren zu unterziehen und darüber zu entscheiden, ob sie zukünftig in Biozidprodukten enthalten sein dürfen oder nicht. Für den Abschluss des Zehnjahresprogramm wurde der 14. Mai 2010 vorgesehen. Es war jedoch schon früh absehbar, dass die Realität den Zeitplan ad absurdum führen würde. Behörden und Biozidindustrie haben sich sehr viel Zeit gelassen. Es dauerte allein drei Jahre, bis ein Inventar der Alt-Biozide vorlag und eine erste Liste mit den Wirkstoffen erstellt war, die von den Produzenten für das Reviewprogramm unterstützt werden. Behördenstrukturen und Kapazitäten mussten erst neu geschaffen werden, insbesondere in jenen Ländern, in denen es zuvor keine gesonderten Biozid-Regelungen oder Biozid-Zulassungen gab, wie etwa auch in Deutschland. Die verantwortlichen Behörden der Mitgliedsstaaten mussten damit beginnen, Bewertungsprozeduren auszuarbeiten und miteinander abzustimmen. Es zeigte sich, dass all diese Faktoren dazu führten, dass die Zeit der Prüfung und Entscheidung für einen Wirkstoff nicht wie angestrebt unter drei Jahren lag, sondern im Durchschnitt vier bis fünf Jahre beanspruchte.

Das aktuelle Fazit lautet: Nach acht Jahren sind erst 13 Stoffe in den Anhang I (Wirkstoffe zur Verwendung in Biozid-Produkten) oder in Ia (Wirkstoffe zur Verwendung in Biozid-Produkten mit geringem Risikopotential) aufgenommen worden. Mit den Produktzulassungen, die in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedsstaaten liegen, ist noch gar nicht begonnen worden.

Die EU Kommission hat nun den Vorschlag unterbreitet, im Zuge einer "Mini-Revision" das Reviewprogramm um drei Jahre, bis 2013 zu verlängern. Sie hat zudem klargestellt, dass von Fall zu Fall "Flexibilität" erlaubt sein soll. Dies bedeutet im Klartext, dass eine weitere Überschreitung der neuen Frist für bestimmte Stoffe zu erwarten ist.

Für den Verbraucher- und Umweltschutz bedeutet das eine Verlängerung alter Missstände, denn die notifizierten aber ungeprüften Wirkstoffe bleiben weiterhin in nicht zugelassenen Biozid-Produkten auf dem Markt. Andererseits hat das Reviewprogramm dazu geführt, dass 964 (rund 60%) der alten Wirkstoffe gar nicht erst notifiziert wurden und seit dem 1. September 2006 nicht mehr vermarktet werden dürfen. Zusammengefasst werden diese Fakten in dem aktuellen, recht dünnen Kommissionsbericht zur Bewertung des Vollzugs der Biozid-Richtlinie2. Der Bericht betont, dass bislang keine Fälle bekannt geworden sind, in denen das Ausscheiden dieser Wirkstoffe den Anwender ohne Ersatz gelassen oder zur Ausbreitung der damit bekämpften Schadorganismen geführt hätte und dass die Rücknahme bestimmter Stoffe von bekannt hoher Toxizität eine offensichtlich positive Folge des Prüfprogramms bedeute.

Nach der aktuellen Stoffliste der Verordnung (EG) Nr. 1451/2007 sind 351 Wirkstoffe für das Reviewprogramm angemeldet. Ein Wirkstoff kann für mehrere der 23 Produktarten notifiziert werden. Offensichtlich sind die Antragsteller zunächst sehr großzügig mit den Meldungen verfahren, denn mittlerweile haben sie rund 50% der ursprünglich angemeldeten Wirkstoff-/Produktkombinationen wieder zurückgenommen.

Die ersten beiden Phasen des Reviewprogramms sind bereits gestartet worden. In der ersten Phase werden rund 40 Holzschutzmittel-Wirkstoffe und 17 Rodentizide (gegen Nagetiere) geprüft. Einige dieser Stoffe sind bereits für die weitere Verwendung in den Anhang I/Ia aufgenommen worden, die letzte Entscheidung wird voraussichtlich im August 2009 erfolgen. Die zweite Phase überprüft rund 61 Insektizide und 19 Repellents bzw. Lockmittel. Alle 13 notifizierten molluskiziden Wirkstoffe wurden mittlerweile nicht mehr von der Industrie unterstützt und fallen daher raus. Die letzten Entscheidungen bei den Stoffen dieser Phase wird Ende 2011 erwartet.

1 Agrow (2008): EU proposes more time for biocide review, No 555, November 7th 2008, page 11
2 EU Kommission (2008): Bewertung des Vollzugs der Richtlinie 98/8/EG über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten und Bericht zum Stand der Umsetzung des Arbeitsprogramms gemäß Artikel 16 Absatz 2 derselben Richtlinie, KOM(2008) 620 endgültig, Brüssel, den 8.10.2008

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