jump directly to content.
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

Quer Menue

Neue Regulierungen für Nanomaterialien notwendig

31.10.2008, Katja Vaupel

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief September/Oktober 2008

Obwohl bereits Lebensmittel, Kosmetika, Lacke, Sportgeräte, Textilien, Pestizide, Verpackungen und vieles mehr auf dem Markt sind, die Nanomaterialien enthalten, gibt es weltweit keine nanospezifischen Regulierungen. Produkte mit Nanomaterialien müssen nicht gesondert registriert, gekennzeichnet, zugelassen und keiner spezifischen Risikobewertung unterzogen werden.

Zu den besonderen Charakteristika von nanoskaligen Stoffen zählen neue physikalische und chemische Eigenschaften, eine höhere Bioverfügbarkeit und Bioaktivität oder auch mögliche neue oder stärkere toxische Eigenschaften. Regulierungen, welche die besonderen Eigenschaften von nanoskaligen Stoffen erfassen, sind unbedingt erforderlich. Wir brauchen jedoch kein eigenes "Nano-Gesetz". Die bestehenden Fachgesetze müssen umgehend angepasst werden. Dazu zählt etwa die Kosmetik-Richtlinie, die neuartige Lebensmittelverordnung, die Verpackungsverordnung, das Bundesimmissionschutzgesetz, das Arzneimittelgesetz, die Biozid-Richtlinie sowie die Pestizid-Zulassungsrichtlinie und das europäische Chemikaliengesetz REACH.

Entscheidend für die Bezifferung des Umfanges der Nanomaterialien, die von spezifischen Vorschriften erfasst werden sollen, ist ihre Definition. Die häufig verwendete Festlegung auf kleiner als 100 Nanometern (nm) in mindestens einer Dimension ist aus Sicht des BUND und vieler anderer Akteure nicht ausreichend. Da Materialien in Größen bis zu einigen hundert nm und Agglomerate (Zusammenballungen) von Nanopartikeln ebenfalls neue Eigenschaften aufweisen können, müssen diese auch berücksichtigt werden. Der BUND fordert in einem ersten Schritt alle Materialien mit einer Größe von 300 nm in mindestens einer Dimension sowie Agglomerate auf Basis von Nanopartikeln als Nanomaterialien zu definieren. Die Industrie, allen voran die Lebensmittelindustrie, versucht derzeit durch eine möglichst enge Definition den Regulierungsumfang gering zu halten.

Bei der Überarbeitung von Regulierungen müssen nanospezifische Registrierungsanforderungen, Testmethoden, Bewertungsverfahren, Zulassungsbedingungen und Monitoringmaßnahmen angepasst werden. Dabei ist problematisch, dass neben einer Definition auch standardisierte Messmethoden, Daten zur Belastung durch Nanomaterialien und umfassende Daten zur Giftigkeit dieser Stoffe fehlen. Trotz dieser Tatsachen sieht die Bundesregierung nach "derzeitigem Kenntnisstand [...] gegenwärtig grundsätzlich keinen Veränderungsbedarf bei bestehenden Gesetzen und Verordnungen aufgrund nanotechnologischer Entwicklungen." Die gleiche Meinung vertritt derzeit die EU Kommission.

Dies ist aus Sicht des BUND nicht akzeptabel. Vor allem REACH (Registration, Evaluation and Authorisation of Chemicals) muss zügig angepasst werden, da viele nanoskalige Stoffe grundsätzlich in dessen Bereich fallen. Allerdings greift REACH erst für Stoffe ab Produktionsmengen von einer Tonne pro Jahr pro Hersteller oder Importeur. Diese Mengen werden von vielen Herstellern nanoskaliger Stoffe derzeit nicht erreicht. Und für Stoffe mit niedrigen Produktionsmengen gibt es nur sehr geringe Datenanforderungen. Der BUND fordert, Nanomaterialien als Neustoffe zu behandeln, die Mengenbeschränkungen für Nanomaterialien aufzuheben und umfassende Daten und Testergebnisse (Stoffsicherheitsbericht) über Gesundheits- und Umweltrisiken von den Herstellern zu verlangen.

Auch die Pestizid-Zulassungsrichtlinie muss während der derzeitigen Überarbeitungsphase dringend angepasst werden. Bisher müssen Pestizidwirkstoffe, die bereits in Makroform auf dem Markt sind, und die jetzt auch nanoskalig eingesetzt werden, nicht neu zugelassen werden. Damit werden neue giftige Eigenschaften jedoch nicht berücksichtigt. Bisher ist eine spezielle Berücksichtigung von "Nano-Pestiziden" nicht vorgesehen. Ein Änderungsantrag von Hiltrud Breyer (Mitglied des Europäischen Parlaments) wurde vom Europäischen Parlament abgelehnt. Hiltrud Breyer hatte spezifische Bestimmungen für "Nano-Pestizide" gefordert, da die derzeitigen Methoden zur Risikobewertung unzureichend seien. Für die zweite Lesung im EU-Parlament müssen weitere Daten vorgelegt werden, um spezielle Bestimmungen für "Nano-Pesitzide" zu erreichen.

Der BUND fordert angesichts der fehlenden Regulierungen und immensen Wissenslücken hinsichtlich Gesundheits- und Umweltrisiken ein zeitweiliges Anwendungsverbot für Nanomaterialien in verbrauchernahen und umweltoffenen Anwendungen. Zu diesen zählen neben Lebensmitteln und Kosmetika auch Anwendungen in der Landwirtschaft, in Lebensmittelverpackungen und in Reinigungsmitteln.
(Katja Vaupel)

1 Vgl. Forschungsstrategie der Bundesregierung "Nanotechnologie: Gesundheits- und Umweltrisiken von Nanomaterialien", 2007, S. 21f
2 Bericht der Bundesregierung zum Veränderungsbedarf des bestehenden Rechtsrahmens für Anwendungen der Nanotechnologie, Deutscher Bundestag, August 2007, Drucksache 16/6337
3 Regulatory Aspects of Nanomaterials, SEC(2008) 2036, European Commission, Brussels, 17.6.2008
4 http://www.europarl.europa.eu/meetdocs/2004_ 2009/documents/am/672/672325/672325en.pdf
5 Weitere BUND Forderungen siehe: BUND Position "Für einen verantwortungsvollen Umgang mit der Nanotechnologie" http://www.bund.net/fileadmin/bundnet/publikationen/nanotechnologie/20070500_nanotechnologie_position.pdf

© 2018 PAN Germany Seitenanfang PAN Germany, validieren