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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

Quer Menue

Immer noch zu viel Gift im Essen

31.10.2008, Susanne Smolka

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief September/Oktober 2008

Der neue Bericht zum Lebensmittelmonitoring vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für das Jahr 2007 verdeutlicht: Deutsche Verbraucher sind weiterhin unakzeptablen Risiken im Bereich Lebensmittel(un-)sicherheit ausgesetzt1. PAN Germany und der NABU fordern in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Bundesregierung zum Handeln auf.2

Zugegeben, nicht jeder Mensch mag Grünkohl und vielleicht können nur die Menschen der norddeutschen Tiefebene wirklich nachvollziehen, was es bedeutet, wenn einem gerade zu Beginn der "Kohl und Pinkel"-Saison beim Lesen des neuen Monitoringberichts des BVL der saisonale Appetit vergeht. Jede fünfte Grünkohl-Probe (20%) wies Pestizidrückstände über der zulässigen Höchstmenge auf. Viele der gefundenen Pestizide waren gar nicht für eine Anwendung im Grünkohlanbau zulässig. Bei einigen Proben konnte das BVL gesundheitliche Beeinträchtigungen nach einmaligem Verzehr nicht ausschließen!

VerbraucherInnen könnten sich damit trösten, dass potentiell die akuten Wirkungen des Übels bereits überstanden sind, denn wenn man einen hoch belasteten Kohl erwischt hat, wurde dieser ggf. bereits 2007 im Rahmen eines traditionellen Grünkohlessens mit einem kräftigen Schluck Korn heruntergespült. Zuversicht benötigt allerdings angesichts der Monitoringdaten, wer sich gerade an die Planung der diesjährigen Kohlfahrt macht, es sei denn, es wird Bio-Grünkohl aufgetischt.

Das Lebensmittelmonitoring zeigt erneut: Die Rückstandssituation wird nicht besser Und es scheint, als würde selbst das BVL langsam seinen Zweckoptimismus verlieren. Die Behörde tat gut daran, zu betonen, man sei nur der Überbringer der schlechten Botschaft. Der Leiter des zuständigen BVL, Dr. Helmut Tschiersky-Schöneburg, macht die Verantwortlichen aus: "Die Anstrengungen des Handels und der Erzeuger zur Reduzierung der Rückstände von Pflanzenschutzmitteln reichen bei einigen Obst- und Gemüsearten offenbar nicht aus"3. Wohl wahr, die Lebensmittelkette ist in die Pflicht zu nehmen und das, was sie tut, reicht nicht aus. Wie aber steht es mit der staatlichen Verantwortung im Verbraucherschutz?

Zunächst aber zurück zum Monitoringbericht. Grünkohl ist ja nur ein problematisches Produkt von mehreren. Bei Kopfsalat, Austernseitlingen und Tomaten lagen ebenfalls die Pestizidrückstände einiger Proben im Bereich des akuten gesundheitlichen Risikos bei einmaligem Verzehr. Bei Äpfeln hat sich zwar der Anteil von Überschreitungen der Höchstmengen im Vergleich zu 2004 auf 7,3% halbiert. Allerdings wiesen deutsche Äpfel häufiger Pestizidrückstände im Bereich der erlaubten Höchstmengen auf, als ausländische Äpfel.

Neben den akuten Gesundheitsrisiken sind die Mehrfachbelastungen mit Pestizidrückständen ein großes Problem. 20% der Apfelproben enthielten fünf oder mehr Rückstände. 90% aller Erdbeerproben enthielten Rückstände, dabei 78% mehr als einen Pestizidwirkstoff. Beim Römischen Salat traf dies auf 72%, beim Kopfsalat sogar auf 79% aller untersuchten Proben zu. Diese Zahlen bedeuten ein Risiko durch Kombinationswirkungen für die Verbraucher, auch wenn sich die Entscheidungsträger schwer tun, ein entsprechendes Bewertungsprozedere zu implementieren, bis dato auf die vertraute Einzelstoffbewertung setzen und die Risiken additiver oder synergistischer Effekte weitgehend ignorieren.

Nun aber zurück zur staatlichen Verantwortung. Die Verbraucher könnten ein klares Votum mit ihrer Kaufentscheidung abgeben, würden sie denn zeitnah und transparent informiert werden. Hierzu müssen Ross und Reiter genannt werden. Es müssen Informationen darüber veröffentlicht werden, aus welchen Geschäften auffällige Proben genommen wurden. . Darüber hinaus müssen nachhaltige Lösungsstrategien für den konventionellen Anbau implementiert werden. Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung muss umgehend nachgebessert werden. Nur konkrete Maßnahmen und Zeitpläne werden zu einem Wandel im konventionellen Anbau führen und die staatlichen Kontrollen verbessern. Der Nationale Aktionsplan für Pestizide ist so auszurichten, dass die anhaltenden Belastungen von Lebensmitteln ein Ende haben.

PAN hatte bereits in einer gemeinsamen Presseerklärung mit NABU, Greenpeace und dem BUND im September 2008 die Agrarminister von Bund und Ländern zur Korrektur des von Bundesminister Horst Seehofer vorgelegten Aktionsplans aufgefordert und die weitere Mitarbeit der Verbände an dem Plan in Frage gestellt, falls Verbesserungen ausbleiben4.

PAN begrüßt daher, dass sich die Regierungsfraktionen Union und SPD im Rahmen der Bundestagsdebatte am 16.10.2008 in einem Beschluss dafür ausgesprochen haben, das von Minister Seehofer zuvor gestrichene Ziel, die Rückstandshöchstmengenüberschreitungen auf unter 1% zu senken, umzusetzen. Dabei soll das 1-Prozent-Ziel nicht nur für einheimische, sondern auch für importierte Produkte erreicht werden. Es ist nun an Minister Seehofer bzw. dessen Nachfolger, dieses Votum des Parlaments umzusetzen.


1 BVL (2008): Lebensmittel-Monitoring 2007, Der Bericht ist als PDF-Download abrufbar unter: www.bvl.bund.de/lmm2007
2 PAN Germany/NABU (2008): Ergebnisse des Lebensmittelmonitorings: PAN und NABU beklgen staatliche Tatenlosigkeit, Gemeinsame Presseerklärung vom 15.10.2008
3 BVL (2008): In Obst und Gemüse erneut zu hohe Rückstände von Pflanzenschutzmitteln festgestellt, Presseinformation vom 13.10.08
4 PAN Germany/Greenpeace/NABU/BUND (2008): Umweltverbände fordern von Agrarministern Maßnahmen für weniger Pestizideinsatz, Gemeinsame Presseerklärung vom 22.9.2008

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