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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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EU-Pestizidzulassung: Durchbruch für Umwelt- und Verbraucherschutz

01.08.2008, Susanne Smolka, Carina Weber

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Juli/August 2008

Am 23.6.2008 erfolgte eine Einigung der EU-Agrarminister zum Entwurf der EU-Zulassungsverordnung. Der abgestimmte Text sieht die Einführung von Ausschlusskriterien für besonders gefährliche Pestizid-Wirkstoffe in die europäische Pestizidgesetzgebung vor. Dies bedeutet eine Verbesserung des Schutzes von Mensch und Umwelt gegenüber Stoffen, die erwiesenermaßen krebserregend, erbgutverändernd oder reproduktionstoxisch sind (CMR-Stoffe) oder die das Hormonsystem negativ beeinflussen (EDCs).

Die Pestizidzulassung ist stark von der Risikoabschätzung geprägt. Dabei wird nicht nur auf die Gefahren von Pestiziden angesichts ihrer inhärenten Stoffeigenschaften geschaut, sondern auch auf den Einsatz, und damit auf das so genannte Risiko. Bei der Risiko-Abschätzung verkalkulieren sich die Zulassungsbehörden jedoch durchaus. Der 2008 öffentlich bekannt gewordene Fall ist die tödliche Vergiftung von Millionen von Honigbienen in Deutschland mit einem Pestizid, das ordnungsgemäß zugelassen war. PAN Germany und PAN Europe haben in den vergangenen Jahren immer wieder auf die Unzulänglichkeit des Zulassungsverfahrens und die daraus resultierenden Probleme hingewiesen. Jetzt hat sich der EU-Agrarrat dieser Problematik angenommen und unterstützt die von der EU-Kommission vorgeschlagene Strategie, ausgewählte Stoffeigenschaften als Ausschlusskriterien für die Stoffzulassung festzulegen. Die betroffenen Wirkstoffe mit CMR (Klasse I und II) und EDC Eigenschaften umfassen ca. 4-5% der in der EU eingesetzten Pestizide. Sie sind in ca. 22% der in der EU untersuchten Lebensmittel nachzuweisen.

Nach einer PAN Europe Analyse betrifft diese Regelung mindestens 23 Wirkstoffe, von denen 16 in Deutschland zugelassen sind.

Angesichts der neuen Regelung muss bedacht werden, dass die politische Einigung des EU-Agrarrats einem Kompromissvorschlag folgt, der in letzter Minute eingebracht wurde, und der deutliche Abstriche gegenüber dem Kommissionsvorschlag und den Änderungsvorschlägen des EU-Parlaments aufweist. Nach dem Agrarrat-Kompromiss wird die Möglichkeit der Zulassung von CMR-Stoffen und EDCs bis zu fünf Jahren zugestanden, wenn eine "ernste Gefahr" für die Pflanzengesundheit vorliegt und keine wirksamen Alternativen zur Verfügung stehen (dies gilt nicht für Krebs erzeugende und reproduktionstoxische, also C und R-Stoffe, der Kategorie 1). Die politische Einigung ermöglicht somit eine weitere Freisetzung dieser Stoffe über mehrere Jahre. Dies ist aus PAN-Sicht nicht nachvollziehbar. Ein Verbot für diese gefährlichen Stoffe ist überfällig. Zudem erläutert der mit heißer Nadel gestrickte Kompromiss nicht, was eine "ernste Gefahr" darstellt, und der Text ist so formuliert, dass wiederkehrende Zulassungen über jeweils maximal fünf Jahre ermöglicht werden.

Eine unrühmliche Rolle hat leider im Rahmen des Einigungsprozesses Minister Seehofer gespielt, der sich nicht konsequent für eine klare Regelung zur Eliminierung von gefährlichen Pestiziden eingesetzt hat und der entscheidend mitverantwortlich ist für diese, im Vergleich zum Kommissionstext und den Vorschlägen des EU-Parlaments stark abgeschwächte Fassung.

Auch andere Punkte der politischen Einigung des Agrarrats bleiben hinter den Vorschlägen des EU-Parlaments zurück. PAN Germany unterstützt die weiter reichenden Vorschläge des EU-Parlaments. Danach sollen auch Wirkstoffe mit erkannten negativen Effekten auf das Nervensystem oder auf das Immunsystem in der Zulassung restriktiver bewertet werden und alle Pestizide (nicht nur die besonders bedenklichen) dem neu eingeführten Substitutionsprinzip unterzogen werden.

Dies wäre aus der Sicht von PAN Germany ein aktiver Schritt der dynamischen Risikominderung, der im Bereich der Stoffprüfung und Produktzulassung ansetzen würde und alternative Innovationen im Pflanzenschutz vorantreiben würde.

Im Herbst wird das EU-Parlament in seiner zweiten Lesung über diese und andere Änderungen des Pestizidrechts abstimmen.

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