23.09.2008, PAN Germany, Susan Haffmans
Bienen bestäuben Pflanzen und tragen so erheblich zum Ernteerfolg in der Landwirtschaft bei. Sie übernehmen wichtige ökosystemare Funktionen, denn ohne die Bestäubungsleistung der Bienen fehlten anderen Tierarten ein Teil ihrer Nahrungs- und Lebensgrundlage. Rund ein Drittel der globalen Lebensmittelproduktion und wahrscheinlich zwei Drittel der wichtigsten Nahrungspflanzen sind von Bestäuber-Insekten,und dabei insbesondere von Bienen, abhängig. Dem Faktor Vielzahl der verschiedenen Arten kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu. Auch unsere einheimischen Wildbienen und Hummeln sind unverzichtbar für die Bestäubung. Doch Bienen und eine große Zahl anderer, wenig beachteter Lebewesen werden durch den Einsatz von Pestiziden geschwächt, vergiftet und getötet.
Im Frühjahr 2008 trat im Bereich des Oberrheins ein außergewöhnliches Bienensterben auf. Die gefundenen toten Bienen lagen auf und in der Nähe von Mais-Äckern. Der Mais war gerade frisch eingesät worden - mit Pestizid-behandeltem Saatgut. Aufgrund der Vergiftungssymptome wurde vermutet, dass das zum Beizen der Mais-Saat verwendete Pestizid Clothianidin für das Massensterben verantwortlich sein könnte. Nachdem die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen am Julius Kühn-Institut (JKI) Proben mit toten Bienen untersucht hatte, bestätigte das JKI einen "unmittelbaren Zusammenhang zwischen den gefundenen toten Bienen und dem Beizmittel" Clothianidin. Daraufhin ordnete die für die Zulassung von Pestiziden federführende Behörde, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), am 15. Mai 2008 mit sofortiger Wirkung das Ruhen der Zulassung für acht Saatgutbehandlungsmittel an, die bienengefährliche Pestizide enthalten. Neben dem genannten Wirkstoff Clothianidin und den damit ausgestatteten Produkten Poncho und Elado waren zudem die Produkte Antarc, Chinook und Faibel mit dem Wirkstoff Imidacloprid, das Produkt Mesurol flüssig mit dem Wirkstoff Methiocarb und die Produkte Cruiser 350 FS und Cruiser OSR mit dem Wirkstoff Thiamethoxam von der Maßnahme berührt. Inhaber von Zulassungen für die betroffenen Produkte sind die Firmen Bayer CropScience (6 Produkte) und Syngenta (2 Produkte), also die weltweiten Marktführer der Pestizidbranche. Bayer Crop Sience, machte mit den Wirkstoffen Clothianidin und Imidacloprid (Bestseller des Unternehmens) im Jahr 2007 einen Umsatz von fast 800 Mio. Euro. Eine Reaktion des Pestizidriesen auf das Massensterben kam spät. Das Unternehmen sprach seinen Unmut über das Ruhen lassen der Zulassung aus und bekräftigte seinen Glauben an "eine schnelle technische Lösung". Diese so genannten technischen Lösungen packen das Problem nicht an der Ursache, sondern suggerieren, dass ein Kontakt bienengefährlicher Mittel mit den Bienen durch bestimmte technische Verbesserungen zuverlässig vermieden werden kann. Verhindern werden soll die Kontamination, indem das Pestizid besser am Saatgut fixiert wird, der Abrieb beim Sähen vermindert wird und/oder weniger Stäube beim Sähen entstehen. Kurz gesagt, durch bessere Haftmittel und technische Innovation im Bereich Landtechnik. Doch die Erfahrungen der letzten 13 Jahre zeigt, dass es trotzt technischen Fortschritts in der Landtechnik zu Belastungen von Bienen, Pflanzen, Gewässern und andere Lebewesen und Biotopen mit pestizidhaltigen Stäuben kommt.
Von den Umwelt- und Verbraucherverbänden wurde das Aussetzen der Zulassung als eine erste Reaktion der Behörde positiv bewertet. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hatte getan, was man von der obersten Bundesbehörde zum Schutz der Verbraucher erwartet - es hatte seine Schutzfunktion wahrgenommen. Umso heftiger fiel die Kritik aus, als das BVL bereits am 25.6.08 die Beizmittel Antarc, Chinook, Cruiser OSR und Elado für die Behandlung von Raps ab sofort wieder zuließ. Alle Mittel enthalten bienengefährliche Wirkstoffe, darunter Clothianidin und Imidaclorid. Das BVL begründet die Wiederzulassung in seiner Presseinformation vom 25.6.08 damit, dass das "Pflanzenschutzmittel mit einem zusätzlichen Haftmittel ans Rapskorn gebunden wird, so dass ein Abreiben des Pflanzenschutzmittels vom Saatgut vermieden wird. Beim Mais hatte dieser Abrieb dazu geführt, dass Stäube des Pflanzenschutzmittels in die Umwelt gelangten und beispielsweise auf Raps-, Löwenzahn- und Obstblüten von Honigbienen aufgenommen wurden. Weiterhin kommen bei der Aussaat von Raps nur Maschinen zum Einsatz, die keinen Abriebstaub in die Luft abgeben". Äcker die bestellt werden, d.h. Äcker die für die Saat vorbereitet sind, sind frei von Bewuchs. Fährt die Drillmaschine über den Acker und legt die Saatkörner ab, so entsteht Staub. Von Seiten der Kritiker an der Wiederzulassung wird kritisiert, dass trotz bester Technik ein Abrieb von pestizidhaltiger Beize nicht gänzlich vermieden werden kann. So gelangen die Pestizide aus der Saatgutbeize auf die Äcker und mit den Stäuben auf Nachbarflächen, auf Obstbäume, in Gewässer. Auch wenn der besonders starke Abrieb ein einmaliges Ereignis ist, bleibt das Problem bestehen, denn Colthianidin, der Wirkstoff, der für das neuerliche Bienensterben verantwortlich war, ist persistent. Das heißt, dass sich dieser bienengefährliche Wirkstoff nur sehr langsam abbaut und noch Jahre nach dem Ausbringen im Boden nachgewiesen werden kann.
Poncho, eines der vier Mais-Beizmittel, deren Zulassung nach dem Bienensterben ausgesetzt wurde, und das Clothianidin als Wirkstoff enthält, wird gegen Schädigungen der Maispflanze durch Drahtwürmer, Frittfliegen und Maiswurzelbohrer eingesetzt. Der Maiswurzelbohrer wird als weltweit bedeutendster Maisschädling eingestuft. Die Schäden erfolgen durch den Fraß der Käfer und Larven vorwiegend an den Wurzeln. Die Bekämpfung des Maiswurzelbohrers mit Insektiziden verursacht gegenwärtig den höchsten Insektizideinsatz aller im Ackerbau eingesetzten Insektizide (ca. 5.400 t, das sind ca. 20%). Die EU stuft den Maiswurzelbohrer als Quarantäneschädling ein. Dies bedeutet, dass EU-weit gesetzlich geregelte, spezielle Bekämpfungsmaßnahmen vorgeschrieben sind. Wird ein Maiswurzelbohrer entdeckt, haben die zuständigen Pflanzenschutzdienste der Länder umgehend die "notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen" einzuleiten, mit dem Ziel, den Schädling auszurotten. Die Maßnahmen, die in Deutschland zu ergreifen sind, sind in einer von der ehemaligen Biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft (BBA) erstellten Leitlinie festgelegt, die sich an der EU-Entscheidung über Sofortmaßnahmen (2003/766/EG) orientiert. Neben der sofortigen Bekämpfungsaktion und einem verstärkten Monitoring wird um die Fundorte für mindestens drei Jahre im Umkreis von einem Kilometer eine Befallszone eingerichtet und im Umkreis von fünf Kilometern eine Sicherheitszone und es müssen bestimmte Fruchtfolgen bzw. Behandlungsauflagen eingehalten werden. Alle diese Maßnahmen sollen verhindern, dass sich der Maiswurzelbohrer in diesen Gebieten ansiedelt. Sollte sich der Maiswurzelbohrer auch in Deutschland ausbreiten, wären etwa 350.000 Hektar mit Anbau von Mais nach Mais der insgesamt 1,6 Millionen Hektar Maisanbaufläche gefährdet. Prognostiziert wird eine Schadenshöhe von jährlich mindestens 25 Millionen Euro, wenn auf den befallenen Flächen nicht großräumig Insektizide eingesetzt oder die Kulturverfahren grundsätzlich umgestellt würden. Das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) schreibt auf seinen Informationsseiten zum Maiswurzelbohrer: "Starke Schäden sind besonders in Gebieten mit intensivem Maisanbau zu erwarten, in denen Mais nach Mais angebaut wird (Risikogebiete)". Doch trotz der Erkenntnis, werden keine Konzequenzen gezogen. Die Gestaltung der Fruchtfolge hat bewiesenermaßen einen erheblichen Einfluss auf die Vermehrung des Schädlings. Das Risiko einer Massenvermehrung bei Mais in Monokultur, z.B. beim Anbau von Mais für Biogasanlagen oder bei Viehbetrieben, die keine Ausweichflächen haben, ist besonders hoch. Doch schon bei einer zweigliedrigen Fruchtfolge mit Mais ist die Gefahr einer Massenvermehrung des Schädlings sehr gering und bei einer dreigliedriger Fruchtfolge besteht keine Gefahr von Massenvermehrungen oder dauerhafter Etablierung des Schädlings mehr. Der politische Wille zur konsequenten Umsetzung dieser Erkenntnis fehlt offensichtlich. Mais wird weiterhin in Monokultur angebaut und Bienen durch Beizmittel vergiftet. Wirksame, umweltschonende Maßnahmen auf pflanzenbaulicher Ebene, wie eine weite Fruchtfolge, werden nicht vorbeugend umgesetzt, sondern lediglich als Teil der kurativen Quarantänemaßnahmen bei akutem Maiswurzelbohrerbefall durchgeführt.
Die Imker wehren sich gegen die Wiederzulassung und rufen bundesweit zur Demonstration vor dem BVL in Braunschweig auf. Bei den Imkern herrscht der Eindruck vor, dass zugunsten des Umsatzes von 260 Millionen EURO von BayerCropScience mit dem Wirkstoff Clothianidin ruhig ein paar Bienen dran glauben dürfen und langfristige Umweltschäden bedenkenlos in Kauf genommen werden. Am Freitag, dem 18. Juli, wollen sich Imker und Unterstützer vor dem Braunschweiger Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit treffen, um ihrer Verärgerung Luft zu machen. Die Imker fordern eine andere Landwirtschaftspolitik, die endlich Rücksicht nimmt auf Leben und Gesundheit der Bienen. In Imkerkreisen wird befürchtet, dass es mit der Blüte des Mais zu weiteren Bienenschäden kommt. 330 Millionen geschädigte und verendete Bienen aufgrund des Einsatzes von Poncho Pro im Raum zwischen Karlsruhe und Stuttgart sind mehr als genug. Die Imker rufen daher auch Verbraucherverbände, Umweltgruppen und -schützer auf, sich an den Protesten zu beteiligen.
Pestizide verursachen Tod von Millionen Bienen
BUND, PAN und Berufsimker fordern Verbot Bienen tötender Pestizide
Hintergrundinformationen Download (202 kb)
Bildnachweis:
1 pixelio.de, I. Probst© 2018 PAN Germany Seitenanfang PAN Germany, E-Mailvalidieren