03.07.2008, Alexandra Perschau
Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Mai/Juni 2008
Seit Ende April ging die Angst um unter den Imkern im badischen Rheintal. Sie mussten einem massenhaften Bienensterben zusehen. Ihr Verdacht: Das mit Clothianidin behandelte Maissaatgut ist Ursache für die dramatischen Verluste. Dies hat sich durch Untersuchungen des Julius Kühn-Instituts bestätigt.1 Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit reagierte und ließ mit sofortiger Wirkung die Zulassung von acht Saatgutbehandlungsmitteln für Mais und Raps ruhen. 2
Ende April/Anfang Mai 2008 trat im Bereich des Oberrheins ein außergewöhnliches Bienensterben auf. Der massive Druck u. a. der Imker, des Naturschutzbundes und der Oppositionsparteien in Baden-Württemberg veranlasste die baden-württembergische Landesregierung zu schnellem Handeln. So verkündete der zuständige Minister für Ernährung und Ländlichen Raum bereits am 6. Mai 2008, dass ein Expertengremium aus allen betroffenen Fachbereichen eingerichtet worden sei, um die Ursachen zu finden. 3
Am 13. Mai 2008 gab das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) für solche Landwirte, die noch mit Clothianidin behandelten Mais aussäen wollten, Empfehlungen heraus, die noch nicht auf schärfere Maßnahmen schließen ließen. Das BVL riet, vorzugsweise Geräte einzusetzen, deren Abluft in den Boden abgeführt wird. Alternativ sollten die Bauern am Abluftkanal einen Schlauch anbringen, so dass der Luftstrom bodennah austreten kann.4
Zeitgleich analysierte bereits die Untersuchungsstelle für Bienenvergiftungen am Julius Kühn-Institut (JKI) 30 Proben in einem Biotest. Bis auf eine Ausnahme wurde bei allen Proben eine Kontaktgiftwirkung nachgewiesen. Die ersten elf chemischen Analysen auf Clothianidin bestätigten in allen Fällen einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den gefundenen toten Bienen und dem Beizmittel. In weiteren Untersuchungen soll geklärt werden, ob noch weitere Komponenten oder Pestizide eine Rolle spielen. 1
Nach eingehender Prüfung der Ergebnisse und neuer Risikobewertungen verordnete das BVL schließlich am 15. Mai 2008 mit sofortiger Wirkung das Ruhen der Zulassung für acht Saatgutbehandlungsmittel. Neben dem in den Medien immer wieder genannten Wirkstoff Clothianidin und den damit ausgestatteten Produkten Poncho und Elado sind zudem die Produkte Antarc, Chinook und Faibel mit dem Wirkstoff Imidacloprid, das Produkt Mesurol flüssig mit dem Wirkstoff Methiocarb und die Produkte Cruiser 350 FS und Cruiser OSR mit dem Wirkstoff Thiamethoxam von der Maßnahme berührt. Inhaber von Zulassungen für die betroffenen Produkte sind die Firmen Bayer CropScience (6 Produkte) und Syngenta (2 Produkte), also die weltweiten Marktführer der Pestizidbranche. 2, 5
Zur Begründung für das Ruhen der Zulassung wurden die Vermeidung weiterer Bienenschäden (...) und mögliche weitere Auswirkungen auf den Naturhaushalt aus Vorsorgegründen' genannt.2 Die Ursachenanalyse gestaltet sich komplex: Nach Angaben des JKI sind Präparate mit Clothianidin grundsätzlich bienengefährlich. Da aber bei der Zulassung als Beizmittel davon ausgegangen wurde, dass die Mittel nicht direkt in Kontakt mit Bienen kommen, erhielten die Produkte bei der Zulassung den Hinweis, dass diese Mittel bei sachgerechter Anwendung Bienen nicht gefährden. 6 Nun allerdings räumt das BVL ein, dass bei der Risikobewertung die Staubabdrift von pneumatisch arbeitenden Sämaschinen unterschätzt wurde und damit auch die Höhe der Pestizidexposition für die Bienen in der Umgebung. Gleichzeitig äußert das JKI den Verdacht, dass die Beizung des Saatguts nicht immer mit der erforderlichen Qualität erfolgt sein könnte und dadurch während der Aussaat ein erhöhter Abrieb des Mittels auftrat. 1
Zur etwa zeitgleich in Bonn tagenden Vertragsstaatenkonferenz der Konvention zur Biologischen Vielfalt forderte PAN die Berücksichtigung von Gefährdungspotenzialen von Pestiziden für die Biodiversität. 7 Daher ist es aus PAN-Sicht erfreulich, dass das BVL beim Krisenmanagement dem Vorsorgeprinzip folgte, nicht erst alle Detailaufklärung durchführte, sondern schnell handelte.
Die wichtige Rolle von Bestäubern wie den Bienen ist auf internationaler Ebene anerkannt, und wurde beispielsweise im Februar 2008 beim Treffen des beratenden Gremiums der Konvention zur biologischen Vielfalt (SBSTTA - Subsidiary Body on Scientific, Technical and T echnological Advise) umfassend diskutiert. 8
Von Seiten der Hersteller der Beizmittel war lange Zeit nichts zu hören. Die erste öffentliche Äußerung ist zeitgleich mit dem Beginn des Ruhens der Zulassung zu identifizieren und macht den Unmut des Unternehmens über die Entscheidung deutlich. So wird der Bayer CropScience Sprecher Utz Klage in der Netzzeitung mit der folgenden Aussage zitiert: "Anders als das Ministerium sind wir der Ansicht, dass es eine schnelle technische Lösung geben kann, ohne dass es einer Aussetzung der Zulassung bedurft hätte." 9
Am 20. Mai 2008 veröffentlichte das Unternehmen dann eine Pressemitteilung, welche die ‚unbürokratische Hilfe für die Imker auf freiwilliger Basis' betont. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass ‚die Klärung des Sachverhalts noch andauert'.10 Zwar ist das faktisch richtig, dennoch wirkt diese Formulierung beschönigend, hat doch das JKI bereits am 16. Mai 2008 mitgeteilt, dass die Ergebnisse der bislang untersuchten Proben einen ‚unmittelbaren Zusammenhang zwischen den gefundenen toten Bienen und dem Beizmittel' bestätigten. 1
Ginge es nach Bayer CropScience, würde die Lösung des Problems über technische Ansätze realisiert. Um fehlerhafte Saatgutpartien zu vermeiden, will das Unternehmen bei den Saatgutfirmen ein Zertifizierungssystem etablieren. Parallel dazu prüft Bayer mit Herstellern von pneumatischen Mais-Sämaschinen technische Lösungen, um die Verwehung von Abriebstaub bei der Aussaat zu vermeiden. 10
Bei einem Umsatz von fast 800 Mio. Euro mit den Wirkstoffen Clothianidin und Imidacloprid im Jahr 2007 hat Bayer CropScience sicher Interesse daran, die deutsche Zulassung für diese Stoffe zu behalten. In Frankreich wurde Imidacloprid wegen Bienensterben bereits im Jahr 1999 verboten, und im Februar dieses Jahres wurde dort auch für Clothianidin der Antrag auf Zulassung abgelehnt. 11
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum nicht stärker über präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Schäden nachgedacht wird. Ein Verzicht auf den Anbau von Mais nach Dauergrünland kann die Gefahr einer wirtschaftlich bedenklichen Schädigung durch den Befall mit Drahtwürmern erheblich reduzieren. Andere Schädlinge und Krankheiten lassen sich regulieren, indem Mais nicht in Monokultur sondern in Fruchtfolge angebaut wird. 12
Dies würde auch einer sich nachhaltig stabilisierenden Artenvielfalt zuträglich sein.
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