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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Benin: Endosulfan-Verbot als Reaktion auf Vergiftungen

01.03.2008, PAN Germany

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief März/April 2008

Endosulfan ist verantwortlich für zahlreiche Vergiftungen, die jedes Jahr in Entwicklungsländern stattfinden. Allein in Benin wurden im vergangenen Jahr im Norden des Landes 20 tödliche Vergiftungen dokumentiert. Nach mehrjähriger Kampagnenarbeit von PAN und anderen NGOs hat nun die Regierung von Benin ein Verbot für dieses gefährliche Pestizid verkündet.1

Nach mehr als 10 Jahren mit einer jeweils großen Zahl von teilweise tödlichen Vergiftungen und von Umweltzerstörungen wird das berüchtigte Insektizid Endosulfan endlich aus West-Afrika verschwinden. Am 16. Februar 2008 erklärte die Regierung von Benin, dass Endosulfan nach dem Verbrauch vorhandener Restbestände verboten wird.

Die Entscheidung basiert auf Emp­feh­lungen von Pflanzenschutzexperten der Region West-Afrika, die endlich jene unakzeptablen Risiken erkennen, die mit der Verwendung von Endosulfan verbunden sind. Diese Entscheidung ebnet den Weg für ein Auslaufen der Nutzung von Endosulfan in den meisten Baumwolle produzierenden Ländern West-Afrikas. So hat PAN Hinweise dafür, dass die Länder Mali, Burkina Faso und die Elfenbeinküste zum Ende der Saison 2008/09 die Nutzung von Endosulfan beenden wollen.

10 Jahre Vergiftungen

PAN hat mit seinen Partnern über mehrere Jahre intensive Kampagnenarbeit für ein Verbot von Endosulfan geleistet. Insbesondere die OBEPAB in Benin war hier aktiv. Seit der Wiedereinführung von Endosulfan in die westafrikanischen Baumwollanbausysteme registrierten die Feldberater der OBEPAB eine steigende Zahl von Pestizidvergiftungen. Solche Vergiftungen führten vielfach zum Tod, besonders unter den Baumwollbauern. Bereits zum Zeitpunkt der Wiedereinführung von Endosulfan, einem giftigen und persistenten Organochlorverbindung, waren die ernstzunehmenden Gesundheitsrisiken bekannt. Offiziell sollte der Wirkstoff für maximal vier Jahre genutzt werden. Bis zum Ablauf dieser Frist sollten sicherere Alternativen iden­tifiziert worden sein. Allerdings verfehlte der westafrikanische Baumwollsektor das Ziel, was zur aktuellen, tragischen Situation führte.

Dennoch führten verschiedene Kam­pag­nenmaßnahmen von PAN dazu, dass die Aufmerksamkeit nationaler und internationaler Medien sich auf die fatale Situation durch Endosulfan richtete. Dies zusammen mit der Ende 2007 getroffenen Entscheidung der Europäischen Union, Endosulfan zu verbieten, zwang den westafrikanischen Baumwollsektor zum Handeln.

(K)ein Grund zum Feiern?

Die Regierung von Benin verdient Anerkennung: Das Verbot von Endosulfan wird höchstwahrscheinlich die Zahl der tödlichen Pestizidvergiftungen und gravierender Lebensmittelvergiftungen reduzieren. Dennoch ist es zu früh zum Feiern. Benin, Mali, Burkina Faso und die Elfenbeinküste haben zusammen noch mehr als 1,6 Millionen Liter Endosulfan auf Lager. Diese "Restbestände" werden fast vollständig in dieser Anbausaison an die Bauern verteilt. Das Gesundheitsministerium in Benin hat allein im Norden des Landes in der vergangenen Saison 20 Todesfälle durch Endosulfan registriert. Die Erfahrungen von PAN zeigen, dass die Statistiken oft unterschätzt werden, da viele Vergiftungsfälle nicht dokumentiert werden. Daher gibt es Grund für die Annahme, dass auch diese Saison mit tödlichen Vergiftungen durch Endosulfan zu rechnen ist. Zudem ist noch nicht klar, ob sämtliche westafrikanischen Länder ein gleichartiges Verbot einführen. Es besteht die Gefahr, dass Endosulfan über weit verbreitete, so genannte "informelle" Märkte, in der Region weiterhin verfügbar sein wird.

Riskante Alternativen

Endosulfan soll durch ein alternatives Insektizid ersetzt werden. Hierbei handelt es sich um eine neue Formulierung, die von der BAYER AG unter dem Namen TIHAN vertrieben wird. Das Produkt enthält vier verschiedene Wirkstoffe: Imidacloprid, Thiaclo­prid, Deltamethrin und Flubendiamid. Während die Formulierung des Präparates mit den vier Wirkstoffen weniger giftig und etwas weniger persistent ist als Endosulfan, gibt es laut der amerikanischen Zulassungsbehörde EPA Hinweise auf eine möglicherweise krebserregende Wirkung von Thiacloprid; die zwei Wirkstoffe Imidacloprid und Thacloprid werden von der Weltgesundheitsorganisation als gefährlich bezüglich der akuten Giftigkeit eingestuft (Klasse II), und Deltamethrin ist durch die EU hinsichtlich der hormonellen Wirksamkeit (Endocrine Disruptor) in Klasse 1 gelistet.

Es stellt sich somit die Frage, ob hier nicht der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben werden soll. Dass auch nichtchemische Alternativen zum Einsatz von Endosulfan bestehen, beweist PAN Germany mit dem englischsprachigen Field Guide "How to grow crops without Endosulfan", in dem für eine Vielzahl von Anbaukulturen alternative Anbauverfahren für landwirtschaftliche Kleinbetriebe aufgezeigt werden .2

PAN für ein globales Verbot aktiv

Unterdessen ist Endosulfan in der Baumwollproduktion rund um den Globus weit verbreitet, darunter in Indien, China und den USA als die weltgrößten Baumwollproduzenten. PAN Nordamerika hat im Februar diesen Jahres eine Petition bei der US-Amerikanischen Zulassungsbehörde EPA eingereicht, die von mehr als 13.000 Menschen unterzeichnet worden war, und die dazu auffordert, für Endosulfan sämtliche Nutzungszulassungen zu widerrufen. Denn eigene Studien der EPA kommen zu dem Schluss, dass die Endosulfan-Anwender selbst unter Verwendung der besten zur Verfügung stehenden Technologie unakzeptablen Risiken ausgesetzt sind.

Endosulfan bald als POP auf der globalen Verbotsliste?

Auch auf internationaler Ebene setzt sich PAN für ein Endosulfan-Verbot ein. Im Oktober 2007 stand der Wirkstoff auf der Tagesordnung des Bewertungs-Ko­mi­tees der Stockholm Konvention, der so genannten POP-Konvention. POP steht für persistente organische Schadstoffe (Persistent Organic Pollutants). Dieses Gremium trifft sich einmal im Jahr, um zu diskutieren, welche Stoffe in die Liste zur weltweiten Eliminierung aufgenommen werden sollen. Jedes Jahr schwärmen auch die Industrie-Lobbyisten aus, um die Entscheidungen zu beeinflussen. Eine kleine handvoll Nichtregierungsorganisationen, darunter PAN und das Internationale POPs-Eliminierungsnetzwerk (IPEN), setzen sich für die Interessen von Mensch und Umwelt ein. So machte sich PAN besonders für eine Aufnahme von Endosulfan in die Stockholm Konvention stark und untermauerte diese Forderungen mit wissenschaftlichen Stellungnahmen und Dokumentationen sowie mit der Dokumentation der Realität vor Ort, die die Gefährlichkeit und des Insektenvernichtungsmittels belegen.

2007 entschied sich die Europäische Kommmission, Endosulfan für eine Aufnahme in die POPs Konvention zu nominieren. Allerdings stimmten dem EU-Vorschlag zur Aufnahme von Endosulfan in die POPs-Konvention nicht alle Länder zu. So verteilte Indien, dessen Industrie einer der Hauptroduzenten von Endosulfan ist, ein Papier, in dem argumentiert wurde, dass der Stoff nicht die Kriterien der Konvention erfüllen würde. PAN erwartete aufgrund der weit verbreiteten Nutzung von Endosulfan bei der Sitzung eine intensive Diskussion um den Stoff. Doch wenige Minuten vor Beginn der Sitzung verkündete der Vorsitzende des Bewertungs-Komitees, dass die Diskussion um den Stoff um ein Jahr verschoben würde. Ein wichtiges Dokument, nämlich die von der Europäischen Union durchgeführte Risikoanalyse wurde aufgrund rechtlicher Schwierigkeiten bezüglich des von der EU ausgesprochenen Verbots nicht veröffentlicht. So war das Ringen um die Aufnahme von Endosulfan vorerst beendet, bevor es überhaupt begonnen hatte.

Der Prozess wird in diesem Jahr weitergeführt. Bis zur nächsten Sitzung des Bewertungs-Komitees wird PAN noch mehr Daten sammeln, um ein globales Verbot zu unterstützen und auch den Schwung nutzen, der durch das Verbot in Benin entstanden ist.

Alexandra Perschau


1 D.S. Vodouhe, M. Watts, D. Sanfilippo: Endosulfan banned in Benin; in: Pesticide News 79, March 2008, S. 3-4

2PAN Germany: How to grow crops without Endosulfan, im Internet als Download verfügbar unter: www.pan-germany.org/download/ field_guide_without_endosulfan.pdf

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