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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Kein Schwein ruft mich an ...

01.09.2007, Susanne Smolka

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief September/Oktober 2007

... oder wie Umweltschadstoffe die Kommunikation zwischen Lebewesen stören können. Ein Forscherteam analysierte die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse und kommt zu alarmierenden Befunden1.

Seit den 1990-ern beschäftigen sich immer mehr WissenschaftlerInnen mit den Auswirkungen und den Risiken von hormonell wirkenden Stoffen (Endocrine Disruptor Chemicals, EDCs). EDCs können Schwermetalle, Industriechemikalien oder Pestizide sein. Zahlreiche Stoffe, darunter viele Pestizide, stehen unter dem Verdacht, den Hormonhaushalt von Lebewesen zu verändern. Bei zahlreichen Stoffen, zum Beispiel den PCBs, dem Fungizid Vinclozolin oder dem Antibewuchsmittel TBT, gilt die hormonelle Wirksamkeit im lebenden Tier oder im Menschen inzwischen als erwiesen.

Veränderungen des Hormonsystems führen zu Veränderungen der Zell- und Organentwicklung, zu neurologischen Beeinträchtigungen, zu Veränderungen im Verhalten eines Individuums oder zur Krebsentstehung.

Das Hormonsystem ist neben dem Nervensystem das zentrale Signal- und Schaltsystem innerhalb eines Lebewesens. Allerdings spielt chemische Kommunikation auch zwischen Lebewesen eine wichtige Rolle. Niederländische Wissenschaftler haben die verfügbaren Forschungsergebnisse zusammenfassend analysiert und kommen zu einem alarmierenden Resultat. Für ökologische Systeme scheinen Störungen in dieser Interspezies-Kommunikation weit relevantere, negative Auswirkungen zu haben, als Schädigungen von Einzelorganismen durch EDCs. In beiden Fällen führen bereits geringste Umweltkonzen­tra­tionen zu Effekten. Die verfügbaren Forschungsresultate belegen zahlreiche, unterschiedliche Störungen in terrestrischen und aquatischen Systemen, zum Beispiel:

  • Veränderungen der Räuber-Beute-Interaktion:
    Bei der Exposition mit Schwermetallen fällt es Fischen schwerer, ihre Räuber zu erkennen und entsprechende Fluchtreaktionen bleiben aus oder werden verzögert. Verschiedene Pestizide können die Entwicklung von morphologischen Verteidigungsstrukturen bei aquatischen Organismen wie z. B. um Beispiel Kopf- oder Nackenkämme auslösen, auch wenn sie in dieser Ausformung gar nicht notwendig wären.

  • Veränderungen in Wirtsbeziehungen und Symbiosen:
    Parasiten erkennen einen potenziellen Wirt oftmals am Geruch. Einige Schwer­metalle führen jedoch zur Verschlechterung dieser Wirtsidentifizierung.
    Symbiosen sind für Pflanzen lebensnotwendig. Verschiedene Stoffe, z. B.polychlorierte Biphenyle (PCBs) oder Pestizide, stören die chemische Kommunikation zwischen Pflanze und Bakterien, so dass die symbiotische Beziehung nachteilig verändert wird.

  • Veränderung im pheromongesteuerten Reproduktionsverhalten:
    Endokrine Schadstoffe verändern das Hormonsystem von Weibchen und Männchen. Bei Fischen und anderen Tieren wurde festgestellt, dass dies Probleme bei der Partnersuche mit sich bringen kann, da die Männchen nicht mehr in der Lage sind, die weiblichen Tiere über Lockstoffe zu finden.

Bislang sind die zahlreichen Beeinflussungen der, durch den Menschen in die Umwelt freigesetzten Chemikalien auf diese Kommunikationssysteme noch nicht ausreichend verstanden. Die Wissenschaftler schlussfolgern aus ihrer Analyse, dass die Konsequenzen für das ökologische Gleichgewicht, für Nahrungsnetze und Populationen durch chemikalienbedingte Kommunikationsstörungen zwischen Individuen bislang weit unterschätzt wurde. Sie plädieren dafür, diesen Effekten nicht nur mehr Aufmerksamkeit zu widmen, sondern ihnen vielmehr höchste Priorität einzuräumen.


1 Lürling M. & M. Scheffer (2007): Info-dis­rup­tion: pollution and the transfer of chemical communication between organisms. Trends in Ecology and Evolution, 22: 374-379. In: European Commission DG Environment News Alert Service: Effects of Pollution on the Communication between Organisms. Science of Environment policy, 20.9.2007: http://ec.europa.eu/environment/integration/research/newsalert/pdf/78na4.pdf

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