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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Vinclozolin und Co: Heftiges Gerangel bei EU- Pestizidzulassung

01.01.2006, PAN Germany, Susanne Smolka

Seit 1993 beschäftigt sich die Europäische Kommission mit der Aufgabe, alte Pestizidwirkstoffe neu zu bewerten und darüber zu entscheiden, ob diese auch zukünftig in Pestizidprodukten der EU-Mitgliedsstaaten enthalten sein dürfen. Acht sehr bedenkliche Wirkstoffe stehen schon seit langem auf der Tagesordnung. Da sich offensichtlich keine Entscheidung herbeiführen lässt, sollen nun faule Kompromisse die Zulassung dieser Pestizide sichern.

Für die Neubewertung alter Pestizide, die vor 1993 auf dem europäischen Markt waren, wurden vier Prioritätenlisten zusammengestellt. Die erste Liste von 1992 umfasst 90 der am häufigsten verwendeten sowie der bedenklichsten Wirkstoffe. Eigentlich hätte sie bis 2003 abgearbeitet sein müssen, aber es sind immer noch acht Stoffe übrig, um die zur Zeit kräftig gerungen wird. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Bis Ende 2006 sollte der Ständige Ausschuss für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit (SCFCAH) über die Liste-1-Stoffe entschieden haben, ansonsten wird diese Aufgabe an den EU-Rat weitergegeben.

Am 26./27. Januar sollte über die Aufnahme dieser acht "Übriggebliebenen" in den Anhang I der Richtlinie 91/414 (der sogenannten Positivliste) im Ständigen Ausschuss entschieden werden. Dabei handelt es sich um Carbendazim, Fenarimol und Methamidophos, Wirkstoffe, die in zugelassenen Produkten in Deutschland vermarktet werden. Die anderen fünf Stoffe werden in Deutschland nicht mehr eingesetzt: Azinphos-methyl, Dinocap, Flusilazol, Procymidon und Vinclozolin.

All diese Stoffe besitzen eine oder mehrere Eigenschaften, die aus Sicht von PAN Germany deutlich gegen eine Zulassung sprechen. Sie sind entweder akut toxisch, möglicherweise krebserregend, reproduktionstoxisch oder stehen unter Verdacht, das Hormonsystem zu beeinflussen. Auch die offiziellen Stoffbewertungen formulieren erhebliche Bedenken hinsichtlich einer sicheren Anwendung.

Ein Rückblick: Als sich im Sommer letzten Jahres abzeichnete, dass sich insbesondere nordeuropäische Staaten gegen eine Aufnahme der Stoffe aussprechen würden, wurden die Antragsteller prompt von der Europäischen Kommission vorab informiert. Eine Maßnahme, die nach Auskunft eines deutschen Behördenvertreters nicht üblich ist. In den Briefen vom August 2005 wurde klargestellt, dass eine Nicht-Aufnahme der Wirkstoffe in Anhang I wahrscheinlich ist.

Was danach geschah, liegt noch im Dunkeln. Es lässt sich aber vermuten, dass die gut informierten Pestizidhersteller in den folgenden Monaten erfolgreich Druck ausübten. So stellte die Kommission für die Januarsitzung des Ständigen Ausschusses einen Antrag nicht gegen, sondern für die Aufnahme der acht Stoffe.

Als eine Art Kompromiss sollten die Stoffe bereits auf der Ebene der EU-Zulassung mit strikten Anwendungsbeschränkungen versehen werden. Mit diesem faulen Kompromiss sind alle Parteien unzufrieden. Die Hersteller wollen selbstverständlich ein klares Ja hören, aber kein Ja-Aber. Die nationalen Behörden wollen sich von der Kommission nicht in ihr Recht reinreden lassen, Anwendungsbeschränkungen bei der Produktzulassung vorzunehmen, und die Umweltschutzorganisationen fordern aufgrund der nachweislichen Risiken für Mensch und Umwelt ein klares Nein für diese Stoffe.²

Im Vorfeld der Sitzung veröffentlichte PAN Europe in Kooperation mit dem Europäischen Umweltbüro (EEB) eine Presseinformation und forderte Ministerien und Repräsentanten des Ständigen Ausschusses in Briefen dazu auf, sich im Sinne des vorsorgenden Umwelt- und Gesundheitsschutzes gegen die Aufnahme auszusprechen.¹

In der Sitzung des Ständigen Ausschusses wurde kurzfristig dieser Tagesordnungspunkt gestrichen, die Entscheidung ist wieder bis auf weiteres vertagt.

Diese Situation bedarf der Aufklärung. PAN Europe hat schriftlich einen Antrag auf die Einsichtnahme in die vollständige Korrespondenz zwischen EU-Kommission und den Antragstellern gestellt. PAN Germany hat zusammen mit Greenpeace schriftlich um eine Stellungnahme zur deutschen Position bezüglich der besagten Pestizide beim BMELV nachgefragt.

Susanne Smolka

(aus: PAN Germany Pestizid-Brief Januar/Februar 2006)

¹PAN Europe/EEB Presseinformation und Briefe an die Minister vom 24.01.2006 als PDFs unter www.pan-europe.info/downloads

²EC officials delay authorization of controversial pesticides. Pesticide & Toxic Chemical News, 6.02.2006 , Vol. 34, Nr. 15, 2006

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