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Hochgefährliche Pestizide in Mexiko

27.09.2017, PAN Germany Pestizid-Brief 3-2017, Susan Haffmans

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Hochgefährliche Pestizide belasten Menschen und ihre Umwelt weltweit. Seit vielen Jahren setzt sich PAN daher für ein Ende der Nutzung hochgefährlicher Pestizide ein. Der neue Report über hochgefährliche Pestizide in Mexiko ist das Ergebnis interdisziplinärer Arbeit, die durch PAN Mexico (RAPAM) koordiniert und editiert wurde und an der 36 Spezialisten diverser Universitäten und zivilgesellschaftlicher Organisationen mitgearbeitet haben. Er nimmt Bezug auf die PAN-Liste hochgefährlicher Pestizide, beschreibt dringenden Handlungsbedarf und formuliert Problemlösungsansätze. Der Report ist bisher in spanischer Sprache unter dem Titel "Los plaguicidas altamente peligrosos en Mèxico" verfügbar (1) und soll demnächst auch in Englisch erscheinen. Dieser Pestizid-Brief fasst den Inhalt und die Intentionen des Reports zusammen.

Der Begriff "Hochgefährliche Pestizide" (HHPs)

Der Begriff "Hochgefährliche Pestizide" entstand im Kontext von SAICM, dem "Strategic Approach to International Chemicals Management" (Strategischer Ansatz zum Internatio-nalen Chemikalienmanagement) und ist im "International Code of Conduct on Pesticide Management" (Internationaler Verhaltenskodex für Pestizidmanagement) definiert. Zu den HHP-Kriterien zählen u.a. eine besonders hohe akute Toxizität, definierte Langzeitwirkungen wie etwa Krebs erzeugende, das Hormonsystem verändernde oder das Erbgut schädigende Wirkungen sowie negative Wirkungen auf die Umwelt. Eine Liste hochgefährlicher Pestizide, die den festgesetzten Kriterien entsprechen, wurde jedoch nicht erstellt. Diese Lücke schloss PAN International 2009 erstmalig mit der Veröffentlichung der seitdem mehrfach aktualisierten PAN-Liste hochgefährlicher Pestizide(2).

Der Report

Der Report präsentiert ein Bild über hochgefährliche Pestizide in Mexiko. Er vergleicht die PAN International-Liste hochgefährlicher Pestizide mit der Liste der in Mexiko zugelassenen Pestizid-Wirkstoffe, wie sie im offiziellen Katalog der Comisiòn Federal de Protección contra Riesgos Sanitarios (COFEPRIS) von 2016 aufgeführt sind. Dieser Vergleich ergibt, dass 183 in Pestizid-Präparaten enthaltene und in Mexiko zugelassene Wirkstoffe auf der PAN-Liste hochgefährlicher Pestizide stehen. Diese 183 Wirkstoffe sind in mehr als 3.000 registrierten kommerziellen Pestizid-Präparaten enthalten, vor allem in Insektiziden, Herbiziden, Fungiziden und Begasungsmitteln für den Einsatz in der Landwirtschaft. Bestimmte Wirkstoffe sind aber auch für den Einsatz in der Tierproduktion, im Forst oder im Haushalt registriert. Einige der hochgefährlichen Pestizide finden sogar im Rahmen von öffentlichen Gesundheitskampagnen Anwendung.

Ein Vergleich der in Mexiko zugelassenen Pestizid-Wirkstoffe mit jenen, die in anderen Ländern verboten sind, ergab, dass insgesamt 140 hochgefährliche Pestizide in Mexiko zugelassen sind, die in anderen Ländern verboten oder zumindest stark in der Anwendung beschränkt sind.

In Mexiko werden hochgefährliche Pestizide sowohl in der intensiven, exportorientierten Monokultur-Landwirtschaft als auch in kleinbäuerlichen Betrieben oder im Rahmen von Eigenbedarfsanbau angewendet. Anhand von acht Fallstudien aus sieben verschiedenen Bundesstaaten Mexikos dokumentiert der Report die negativen Wirkungen der Verwendung der hochgefährlichen Pestizide. Die Untersuchungen, die in den Bundesstaaten Sinaloa, Sonora, Estado de México, Guanajuato, Campeche, Yucatán und Chiapas durchgeführt wurden, ergaben, dass von den Pestiziden für die Menschen und die Umwelt in den Regionen ein erhebliches Risiko ausgeht, dass die Menschen und ihre Umwelt erheblich Schaden nehmen, und dass gegen eine Reihe von Menschenrechten verstoßen wird - gegen das Recht auf Leben, gegen das Recht auf ein gesundes Leben sowie gegen arbeitsbezogene Rechte von Kindern und Arbeitern.

Die durch den Report aufgezeigten Probleme sind keineswegs neu. Sie wurden bereits von einem UN-Berichterstatter (special rapporteur) für Menschenrechte und von einem auf gefährliche Chemikalien und Abfälle spezialisierten UN-Berichterstatter thematisiert. Neu ist allerdings der spezifische, detaillierte Länderfokus. Die große Anzahl in Mexiko zugelassener hochgefährlicher Pestizide, die im Rahmen der Fallstudien dokumentierten Schäden, die dokumentierte mangelhafte Kontrolle der Pestizid-Ausbringung mit Flug-zeugen, die Defizite im Bereich des Umweltmonitoring, insbesondere des Vorkommens von Pestiziden im Wasser und im Boden, sowie die negative Wirkung von Pestiziden auf die Biodiversität, insbesondere auf Bestäuber, geben großen Anlass zur Sorge.

Doch der Report beschränkt sich nicht darauf, die besorgniserregende Situation aufzuzeigen, sondern er dokumentiert auch in Mexiko existierende Alternativen zum Einsatz synthetischer Pestizide. Die Anzahl der durch universitäre Einrichtungen und durch Bauernvereinigungen durchgeführten Versuche mit agrarökologischen Ansätzen der Kontrolle von Schadorganismen nimmt zu. Mehr als 100 Anbaufrüchte sind bereits öko-zertifiziert. Allerdings ist dem Report zufolge ein größeres Engagement staatlicher Stellen im nicht-chemischen Anbau dringend notwendig.

Empfehlungen des Reports

Angesichts der in Mexiko existierenden immensen pestizidbezogenen Probleme richtet der Report einen lösungsorientierten Blick nach vorn und formuliert Empfehlungen. Der Report bekräftigt, dass diese Empfehlungen durch weitere Vorschläge von Bäuerinnen und Bauern sowie von VertreterInnen von Landarbeiterorganisationen und von indigenen Völkern ergänzt werden müssen. Die Empfehlungen betreffen im Wesentlichen zwei Ansätze zur Veränderung der Pestizid-Politik auf Bundesebene und auf der Ebene der Bundesstaaten:

  1. die Änderung der mexikanischen Pestizidpolitik auf eine Weise, dass sie vor allem auf die Förderung des Rechts auf Gesundheit, des Rechts auf eine gesunde Umwelt und des Rechts auf gesundes, ausreichende und angemessene Nahrung ausgerichtet ist; es soll ermöglicht werden, dass ein ökologisch nachhaltiges Ernährungssystem entsteht, das die Pflicht zur Einhaltung der Menschenrechte gewährleistet,
  2. die Entwicklung eines Nationalen Plans zur Reduktion und letztlichen Beendigung der Nutzung hochgefährlicher Pestizide und zur Förderung ökosystembasierter Anbauverfahren. Dieser Plan sollte dem Report zufolge konkrete Ziele bezüglich der Reduktion und des Verbotes hochgefährlicher Pestizide enthalten (mit anfänglicher Priorität auf jene, die in anderen Ländern bereits verboten sind), und er sollte sowohl auf Bundesebene wie auch in bestimmten Regionen auf lokaler Ebene regelmäßig überwacht und bewertet werden. Zudem sollte der Plan Maßnahmen zur Förderung des ökologischen Landbaus enthalten.

Um Mithilfe des entwickelten Plans die bestmögliche Einhaltung der genannten Menschenrechte zu gewährleisten, bedarf es dem Report zufolge einer Änderung des regulativen Rahmens für Pestizide. Diesbezüglich fordert der Report eine Einbeziehung der Empfehlungen des UN-Berichterstatters für das Menschenrecht auf Nahrung, wie sie dem UN-Menschenrechtsrat in seiner 34. Ordentlichen Sitzung vorgelegt wurden (ein Annex des Reports enthält diese Empfehlungen), und er betont, dass den Empfehlungen des UN-Komitees für Kinderrechte vom 5. Juni 2015 besonders hohe Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte. Die Entwicklung des Plans habe transparent und partizipativ zu erfolgen, damit er nicht nur privaten Interessen, sondern dem Gemeinwohl insgesamt dienen kann. Bezüglich der Ausgestaltung des Reports sind abschließend detailliert Maßnahmen aufgeführt, die ein solcher Plan enthalten könnte. Der Report macht auch Vorschläge dafür, wie der Prozess zur Entwicklung des Plans organisiert werden könnte und wer am Prozess teilnehmen sollte.

Die im Report unterbreiteten Vorschläge sollen unter anderem dazu beitragen, dass Mexiko die Ziele von SAICM erreicht. Denen zufolge sollen Chemikalien spätestens 2020 so produziert und verwendet werden, dass die unerwünschten Wirkungen signifikant reduziert sein werden. Zudem könne der im Report vorgeschlagene Katalog von Aktivitäten ermöglichen, die Resolution der "Fourth International Conference on Chemicals Management" zu implementieren, in der eine Stärkung agrarökologischer Alternativen empfohlen wird. Und auch speziell das zweite Sustainable Development Goal 2015-2030 könne durch die vorgeschlagenen Aktivitäten erreicht werden. Bei diesem Ziel geht es unter anderem um die Förderung einer nachhaltigen Landwirtschaft und damit um die Entwicklung nachhaltiger Systeme zur Lebensmittelproduktion, die Implementierung resilienter landwirtschaftlicher Produktionssysteme, die sowohl die Produktivität wie auch die Produktion erhöhen, die Erhaltung von Ökosystemen, die Erhöhung des Potentials zur Anpassung an den Klimawandel und auch die schrittweise Erhöhung der Bodenqualität.


(S. Haffmans, PAN Germany)


Quellen

(1) RAPAM (2017): Los plaguicidas altamente peligrosos en Mèxico https://rap-al.org/tag/libro-plaguicidas-altamente-peligrosos-mexico
(2) PAN-Liste hochgefährlicher Pestizide http://www.pan-germany.org/download/PAN_HHP_List_161212_F.pdf

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