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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Antibiotikafunde im Grundwasser - Studie unterstützt Forderung nach Einführung eines Grenzwertes für Arzneimittel

28.06.2016, PAN Germany Pestizid-Brief 2-2016, Susan Haffmans

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Rückstände von Human- oder Tierarzneimitteln im Grundwasser werden derzeit nicht systematisch und regelmäßig untersucht. Belastungen mit Antibiotika werden daher entweder gar nicht entdeckt, zufällig entdeckt oder im Rahmen regional und zeitlich begrenzter Untersuchungen nachgewiesen. Ein Projekt im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) untersuchte vor zwei Jahren die Belastung von Grundwässern unter viehreichen Standorten. Nun liegen die Ergebnisse eines Folgeprojektes vor, das sich mit der Frage beschäftigte, ob die dort detektierten Belastungen tatsächlich aus der Landwirtschaft stammen. (1)

1.238 Tonnen Antibiotika wurden 2014 in der Tierhaltung eingesetzt. Zwar ging der Verbrauch im Vergleich zu 2011 um 27 % zurück, dennoch ist das Niveau nach wie vor hoch. Vor dem Hintergrund steigender Resistenzbildungen und nicht abschätzbarer ökotoxikologischer Wirkungen auf terrestrische und aquatische Nichtzielorganismen, wird der Eintrag von Antibiotika über Wirtschaftsdünger in die Umwelt kritisch betrachtet. Dass tierische Exkremente und Wirtschaftsdünger mit Tierarzneimitteln belastet sind, ist lange bekannt. Doch viele Fragen konnten bislang nicht umfassend geklärt werden, z.B. wie sich die Arzneimittelrückstände verhalten, nachdem sie auf landwirtschaftliche Flächen gelangen, welche Abbau-, Umbau-, Bindungs- und Anreicherungsprozesse stattfinden und welche Eintragsrisiken für das Grundwasser durch die Ausbringung belasteter Gülle bestehen.

Da es bislang keine Grenzwerte oder Qualitätsnormen für Arzneimittel zum Schutz des Grundwassers als wichtigste Trinkwasserressource in Deutschland gibt, mangelt es in der Konsequenz auch an einer systematischen Überwachung der Grundwasserqualität hinsichtlich dieser Kontaminanten. Um zu prüfen, wie stark das Grundwasser mit Tierarzneimitteln belastet ist, veranlasste das Umweltbundesamt vor gut zwei Jahren sogenannte "worst case"-Untersuchungen oberflächennaher Grundwässer in Regionen mit hoher Viehbesatzdichte und wurde fündig. PAN berichtete bereits über diese Befunde (2). Bei sieben der damals untersuchten 48 Messstellen wurden Tierarzneimittel im Grundwasser nachgewiesen. Die standortspezifischen Ursachen für die Tierarzneimittelbelastungen konnten damals jedoch nicht eindeutig geklärt werden. Daher folgte in einem zweiten Projekt eine sogenannte Fundaufklärung, die ermitteln sollte, ob die detektierten Antibiotika aus der Düngung mit belasteten Wirtschaftsdüngern stammen oder aus Punkteinträgen aus ländlichen Kleinkläranlagen. Die Ergebnisse wurden nun veröffentlicht und zeigen substanzspezifisch und regional unterschiedliche Resultate. (1)

An zwei Standorten wurde Sulfamethoxazol gefunden, das in Deutschland in erheblich größeren Mengen in der Humanmedizin als in der Tiermedizin eingesetzt wird. Hier konnte der Eintrag über Kleinkläranlagen (KKA) als lokale Punktquellen nachgewiesen werden. Bei den an elf Standorten (in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) gefundenen Antibiotika-Wirkstoffen Sulfadiazin und Sulfadimidin handelt es sich um Arzneimittel, die fast ausschließlich zur Behandlung von Tieren eingesetzt werden. Für Sulfadimidin konnte bei fast der Hälfte der Standorte der Pfad über die belasteten Wirtschaftsdünger eindeutig nachvollzogen werden. Bei der anderen Hälfte der Standorte, bei denen diese eindeutige Zuordnung nicht möglich war, da die Mittel laut Angabe der Tierhalter in den vergangenen 5 Jahren nicht eingesetzt wurden, besteht die Möglichkeit, dass die Funde aus länger als 5 Jahre zurückliegenden Anwendungen stammen, denn der Stoff ist in der gesättigten Zone langlebig stabil und kann dort lange existieren. Bei Sulfadiazin war die Aufklärungsquote deutlich höher. Hier konnte nahezu für jeden der acht Fund-Standorte der Eintragspfad aus der Tierhaltung mit den erhobenen Daten nachvollzogen werden.

Sicher ist: Antibiotika gelangen nachweislich, wenn auch noch nicht flächendeckend, ins Grundwasser und können dort über längere Zeiträume verbleiben. Es kann Jahre bis Jahrzehnte dauern, bis die Substanzen das Grundwasser erreichen. Bei Schadstoff-Funden muss daher immer auch auf vor langer Zeit erfolgte Anwendungen geblickt werden. Die Autoren der Studie kommen zu dem Schluss, dass die vom Bundeslandwirtschaftsministerium 2015 geforderte Kontrolle des Grundwassers auf Antibiotika in Deutschland unverzichtbar ist. Der im Abschlussbericht unterbreitete Vorschlag, dass bei der Beantragung neuer Großtieranlagen an Risikostandorten ein Monitoring der Belastung von Umweltmedien als Auflage in die Genehmigung integriert werden sollte, wird von PAN Germany begrüßt. Der Abschlussbericht unterstützt auch die PAN-Forderung nach Einführung eines Grenz- bzw. Schwellenwerts für Arzneimittel (Human- und Tierarzneimittel) im Grundwasser, der sich am Grenzwert für Einzelwirkstoffe von 0,1 µg/l für Pestizide und Biozide orientiert. PAN Germany plädiert darüber hinaus für einen zusätzlichen Summen-Grenzwert von 0,5 µg/l, wie er für Pestizide und Biozide festgelegt ist. Denn nur so kann das Problem der Mehrfachbelastungen abgebildet werden. Die Einführung von Grenzwerten für Arzneimittel böte eine klare Rechtsgrundlage für den Schutz des Grundwassers. Hierdurch würde ein Monitoring zur Beobachtung der Belastungssituation sichergestellt, und basierend auf den Ergebnissen ließen sich frühzeitig Strategien zur Vermeidung und Minderung von Einträgen entwickeln. Dies kann allerdings nur ein Schritt sein, denn das Messen von Belastungen alleine ist noch keine Maßnahme, diese zu verhindern. Grundsätzlich sollten daher Maßnahmen ergriffen werden, Substanzen mit einem Grundwassereintragspotenzial - unabhängig davon, wie hoch dieses ist - nicht auf Äcker auszubringen. Dies betrifft nicht nur Arzneimittel, sondern auch andere Schadstoffe, wie Pestizide. Schon heute äußern Wasserversorger angesichts der Schadstofffunde im Grundwasser ihre Sorge darüber, dass die Qualität des Grundwassers in Zukunft nicht mehr sicherzustellen sein wird. (3)

(S. Haffmans, PAN Germany)


Quellen:

(1) UBA 2016: Aufklärung der Ursachen von Tierarzneimittelfunden im Grundwasser - Untersuchung eintragsgefährdeter Standorte in Norddeutschland . UBA Texte 54 https://www.umweltbundesamt.de/en/publikationen/aufklaerung-der-ursachen-von-tierarzneimittelfunden
(2) PAN Germany (2013) : Antibiotikafunde im Grundwasser - Entwarnung oder Alarmsignal? ePB vom 3.4.2013 http://www.pan-germany.org/download/pestizid-brief/PB4_Antibiotikafunde_im_Grundwasser_140403.pdf
(3) NDR.de (2015) : Pestizidgefahr im Grundwasser. Nachricht vom 23.06.2015 mit Link auf Panorama Beitrag und Grundwasser-Studie des Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz http://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Pestizidgefahr-im-Grundwasser,pestizide136.html

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