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Neue Pestizid-Steuer in Dänemark

22.08.2013, PAN Germany Pestizid-Brief 11

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Seit dem 1. Juli 2013 ist in Dänemark ein neues System zur Pestizid-Besteuerung in Kraft. Ziel der Steuer ist es, die Ziele des dänischen Nationalen Pestizid-Aktionsplans zu unterstützen. Dies beinhaltet, die negativen Auswirkungen der Pestizidanwendung auf Mensch und Umwelt zu reduzieren und Pflanzenschutzmaßnahmen zu fördern, die vergleichsweise weniger negative Auswirkungen auf die Umwelt und Gesundheit haben.

Schon die Einführung der ersten Pestizid-Steuer bei unseren nördlichen Nachbarn 1998 sorgte für großes Interesse. Der Steuersatz basierte auf dem Verkaufspreis der Produkte und lag für Insektizide bei 35%, für Herbizide und Fungizide bei 25% und für Wachstumsregulatoren bei 25%. In den ersten drei Jahren schien die Steuer tatsächlich eine gewisse Lenkungsfunktion hin zu weniger Pestizidverbrauch zu entwickeln. Doch ab 2002 stiegen die Produktpreise kontinuierlich an. Hierdurch relativierten sich die steuerbedingten Mehrkosten für den Pestizideinsatz und Pestizide wurden wieder vermehrt eingesetzt. Das 2004 im nationalen Aktionsplan von Dänemark festgesetzte Ziel, den Behandlungsindex (für Insektizide, Fungizide, Herbizide und Wachstumsregulatoren zusammen) auf 1.7 zu senken, wurde nicht erreicht. (1). Eine weitere Schwäche der damaligen Pestizidsteuer war, dass gefährliche und weniger gefährliche Produkte gleich besteuert wurden und die Steuer auf diese Weise keine Lenkungsfunktion im Sinne einer Substitution von besonders problematischen Pestiziden durch weniger umwelt- oder gesundheitlich bedenkliche Pestiziden entfaltete.

Aus den Erfahrungen hat Dänemark gelernt. Die zum 1. Juli 2013 in Kraft getretene neue Pestizidsteuer wurde in Abhängigkeit der Produkt- und Wirkstoff-Eigenschaften entwickelt. Pestizidprodukte, die besonders problematisch für Menschen oder ihre Umwelt sind haben einen hohen Steuersatz. Entscheidet sich der Landwirt für ein Pestizidprodukt ökonomisch und wählt das vergleichsweise günstigere Mittel, so wählt er - so die Theorie des Systems - automatisch die umwelt- und gesundheitlich verträglichere Alternative.

Dem Steuersatz zugrunde liegt der neu entwickelte "Pestizid-Belastungsindikator" (Load-Indicator). In diesen Belastungsindikator fließen folgende drei Größen ein:

  1. Humantoxizität (Risiko für den Anwender, z. B: Kanzerogenität, Reproduktionstoxizität eines Produkts; Exposition der Anwender (R-Sätze) (produktspezifisch)
  2. Umweltverhalten (Mobilität und Persistenz, Bioakkumulation und Risiko der Auswaschung ins Grundwasser) (wirkstoffbezogen)
  3. Umwelteffekt auf Nichtzielorganismen wie Vögel, Fische, Daphnien, Algen und Regenwürmer (akute und Langzeit-Toxizität)

Für jeden der drei Größen wird ein Produktbezogener Wert (Score) errechnet. Zur Festsetzung der produktspezifischen Steuer fließt dieser Wert in die Berechnung des Steuersatzes ein. Zudem enthält er eine für alle Produkte geltende Basissteuer von 50 DKK/kg oder Liter Wirkstoff. Der Belastungs-Indikator ist nicht nur Grundlage für die Festsetzung der Pestizidsteuer. Mit ihm lassen sich auch Kulturen oder Gegenden bezüglich ihres Pestizideinsatzes vergleichen und beurteilen. Er kann sowohl in Relation der eingesetzten Produktmenge als "Gesamtbelastung pro kg Produkt", bezogen auf die Fläche (pro Hektar) oder bezogen auf eine Kultur angegeben werden. So lassen sich sowohl kulturspezifische als auch geographische Hotspots der Belastung darstellen, da in Dänemark anders als in Deutschland flächenscharfe Daten zum Pestizideinsatz vorliegen. Die Einnahmen aus der Steuer werden in Dänemark in Agrarprojekte investiert und dienen der Umsetzung und Deckung der administrativen Kosten des Nationalen Pestizid-Aktionsplans.

Ganz anders sieht die Situation in Deutschland aus. Obwohl von PAN Germany und anderen Umweltverbänden wiederholt eingefordert und mit EU-Recht im Einklang, hat die Bundesregierung im Rahmen des deutschen Nationalen Pestizid-Aktionsplans (NAP) die Möglichkeit der Finanzierung von Maßnahmen beispielsweise über eine Pestizidsteuer, nicht wahrgenommen. (2). Ein Interesse der Bundesregierung, die Pestizidindustrie und Agrarindustrie endlich an den erheblichen externen Kosten des chemischen-Pflanzenschutzes zu beteiligen, ist nicht erkennbar. Gäbe es in Deutschland eine Pestizidsteuer, könnten die hierüber generierten Einnahmen zweckgebunden z.B. für die Begleichung der staatlichen Überwachungs- und Kontrollkosten für Pestizidrückstände und Pestizidanwendungen genutzt werden oder in eine industrieunabhängige Pflanzenschutzberatung, die in zahlreichen Bundesländern fehlt, investiert werden.

Seit Jahrzehnten wiederholen die Interessensvertreter der Pestizidhersteller und des Agrarsektors "ihr Mantra", dass kein Landwirt mehr spritzt als unbedingt notwendig ist. Das Bundeslandwirtschaftsministerium wird nicht müde, das "hohe Lied der freiwilligen Maßnahmen" zu singen. Dass trotz freiwilliger Vereinbarungen zur Pestizidreduktion der Inlandsabsatz an Pestizidwirkstoffen zwischen 2002 und 2012 um gut 33% auf 46.326 Tonnen anstieg, bei kaum veränderter landwirtschaftlich genutzter Fläche, sollte bei den politischen Entscheidungsträgern begründete Zweifel am Wert dieser Aussage und an der Effektivität der freiwilligen Maßnahmen aufkommen lassen. (3) Es ist längst an der Zeit, dass auch in Deutschland ernsthaft an einer Pestizidsteuer gearbeitet wird. Immerhin waren deutsche Vertreter dabei, als die dänische Umweltbehörde am 30. Mai 2013 anderen Staaten ihr neues Pestizid-Steuersystem und den "Pesticide Load Indicator" vorstellte. (4).

(Susan Haffmans, PAN Germany)

Anmerkungen

(1) New pesticide tax and indicator in Denmark. Präsentation von Lea Frimann Hansen, Danish Ministry of the Environment - Environmental Protection Agency am 30.5.2013. Online unter http://www.mst.dk/NR/rdonlyres/0ADEDB18-CD64-4B89-8465-75DECF967786/0/1Lea_pr%C3%A6sentationafafgiftenogstrategi.pdf

(2) 10/2012 Stellungnahme von PAN Germany, BUND, NABU und Greenpeace zum nationalen Aktionsplan zur nachhaltigen Anwendung von Pestiziden (Entwurf vom 27.09.2012. Online unter: http://www.pan-germany.org/download/Umweltverbaende_Stellungnahme_zum%20_NAP_Entwurf_vom_270912.pdf

(3) Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik Deutschland Ergebnisse der Meldungen gemäß § 64 Pflanzenschutzgesetz für das Jahr 2011 bzw. 2012. Online unter http://www.bvl.bund.de/DE/04_Pflanzenschutzmittel/01_Aufgaben/02_ZulassungPSM/03_PSMInlandsabsatzExport/psm_PSMInlandsabsatzExport_node.html

(4) Danish Ministry of the Environment (2013): "International seminar on a new Danish pesticide tax", 27.06.2013. Online at http://www.mst.dk/English/Pesticides/pesticidetaxseminar.htm

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