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Grundwasser besser vor Belastungen durch Human- und Tierarzneimittel schützen

17.06.2013, PAN Germany Pestizid-Brief 9

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Spätestens seit Anfang der 1990er Jahre werden Arzneimittelrückstände (ebenso wie Pestizid-Rückstände) einschließlich ihrer Metabolite im Grundwasser nachgewiesen. Viele der pharmazeutischen Wirkstoffe sind wasserlöslich und langlebig. Gelangen sie in Gewässer, wirken sie dort auf das gesamte aquatische System. Im Gegensatz zu Pestiziden, sind in der EU Grenzwerte bzw. Umweltqualitätsnormen für Arzneimittel in Gewässern nicht etabliert. Dass Rückstände von Arzneimitteln im Grundwasser nachgewiesen werden, ist ein Alarmsignal. Die aktuelle Revision der EU-Grundwasserrichtlinie bietet die Möglichkeit, Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers vor Arzneimitteleinträgen umzusetzen.

Aus Sicht von PAN Germany ist das Wasserrecht in Bezug auf Belastungen durch Arzneimittel-Einträge defizitär. PAN sieht daher den dringenden Bedarf, Gewässerbelastungen durch Human- und Tierarzneimittel bei der aktuellen Überarbeitung der EU-Grundwasserrichtlinie zu berücksichtigen. Es gilt, die Verbreitung von Pharmastoffen in europäischen Grundwassern und ihre grundwasserökologischen Effekte besser und systematischer zu erfassen und zu reduzieren. In einem neuen Hintergrundpapier setzt sich PAN Germany mit dem Thema Gewässerbelastung durch Human- und Tierarzneimittel detailliert auseinander und stellt Forderungen für die Überarbeitung des Gewässerrechts auf (1).

Die Europäische Umweltagentur (engl. European Environment Agency, EEA) ist als Behörde der Europäischen Union seit 1994 dafür zuständig, Informationen und Daten im Bereich der Umwelt zu liefern. Einem (Workshop-) Bericht der EEA von 2010 zufolge wird die Umweltrelevanz von Arzneimitteln allgemein als besorgniserregender eingeschätzt, als noch vor einem Jahrzehnt (2). Bei Standard-Langzeit-Tests, die mit Fischen, Daphnien und Algen als Testorganismen durchgeführt werden, zeigten sich Effekte auf die Lebewesen bereits bei sehr geringen Arzneimittel-Konzentrationen von unter 1 Mikrogramm/Liter (3). Auch das Problem der Mehrfachrückstände ist relevant. So belegen Untersuchungen, dass die Giftigkeit von Wirkstoff-Mischungen zum Teil substantiell höher ist, als die Summe der Toxizität der einzelnen Substanzen (4). Für Mischungen unterschiedlicher Antibiotika lag die Toxizität bis zu 5-fach über der Summe der Toxizität der Einzelwirkstoffe (5). Wasserorganismen sind somit durch Mehrfachrückstände von Arzneimitteln besonders gefährdet.

Da es kein verbindliches Monitoring von Arzneimittelrückständen in der Umwelt gibt, ist unser Wissen über Belastungen von Böden und Gewässern mit Arzneimitteln lückenhaft. Noch 2008 lagen nur wenige Untersuchungen zur Verunreinigung des Grundwassers mit Arzneistoffen und zur Frage vor, ob und in welchem Umfang das Grundwasser beeinträchtigt ist (6). Auf der einen Seite können durch verbesserte Messtechnik zwar immer mehr Spurenstoffe in Gewässern nachgewiesen werden. Doch auf der anderen Seite fehlen nach Aussage von Experten für viele der ca. 2.900 in Deutschland vermarkteten Arzneimittelwirkstoffe konkrete Nachweisverfahren, um diese überhaupt aufspüren zu können (7).

Aus Sicht der Europäischen Umweltagentur fehlt es an Daten, insbesondere zum Vorkommen von Antibiotika, Antiparasitika, Hormonen, Analgetika und Psychopharmaka in Gewässern und Sedimenten (8). Die EEA schlägt ein Monitoring des Grundwassers nach dem Inverkehrbringen relevanter Substanzen vor (9). PAN Germany fordert in diesem Zusammenhang, dass ein verbindliches Umweltmonitoring eingeführt und eine Rückkopplung der Umweltmonitoring-Ergebnisse mit der Zulassung sichergestellt wird (10). Besonders dringlich erscheint eine bessere Überwachung solcher Stoffe, die in größeren Mengen in die Umwelt freigesetzt und bei denen Umweltauswirkungen erwartet werden (11). Dies gilt z.B. für so genannte PBT-Substanzen, also solche Substanzen, die als langlebig (persistent), bioakkumulierbar und toxisch eingestuft sind (12).

Um Gewässer im Allgemeinen und insbesondere das Grundwasser zukünftig besser vor (Tier-) Arzneimitteleinträgen zu schützen, fordert PAN Germany:

  • Eine systematische Erfassung der Arzneimittel-Verunreinigungen im Rahmen der Messprogramme der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
  • Die Festlegung von Grenzwerten und Umweltqualitätsnormen für Arzneimittelrückstände in Gewässern
  • Das Schließen von Wissenslücken bezüglich des Umweltverhaltens von Arzneimitteln
  • Maßnahmen zur Minimierung von Arzneimittel-Einträgen in Gewässer sowie
  • eine Stärkung des Wasserschutzes im (Tier-) Arzneimittelrecht.

Näheres zum Hintergrund und Erläuterungen zu den Forderungen sind in dem PAN-Hintergrundpapier "Berücksichtigung von Gewässerbelastungen durch Human- und Tierarzneimittel bei der Revision der EU-Grundwasserrichtlinie" (2013) zusammengestellt.

(Susan Haffmans, PAN Germany)


Anmerkungen

(1) PAN Germany (2013): Berücksichtigung von Gewässerbelastungen durch Human- und Tierarzneimittel bei der Revision der EU-Grundwasserrichtlinie. Hamburg April 2013. 16 Seiten. Download unter http://www.pan-germany.org/download/tierarzneimittel/grundwasser-DE-130611-web.pdf
(2) European Environment Agency (2010): Pharmaceuticals in the environment. Technical report No 1/2010. Seite 4 http://www.eea.europa.eu/publications/pharmaceuticals-in-the-environment-result-of-an-eea-workshop/at_download/file
(3) Ebd. Seite 18
(4) Ebd. Seite 5
(5) Ebd. Seite 5 & 33 (bei Antibiotika)
(6) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (2008): Grundwasser in Deutschland. Seite 41. http://www.umweltdaten.de/publikationen/fpdf-l/3642.pdf
(7) Schulte-Oehlmann U, Oehlmann J, Püttmann W (2007): Humanpharmakawirkstoffe in der Umwelt: Einträge, Vorkommen und der Versuch einer Bestandsaufnahme. UWSF - Z Umweltchem Ökotox 19 (3) 168-179. Seite 172 http://www.start-project.de/downloads/UWSF_Schulte_Oehlmann_et_al_0807.pdf
(8) Ebd. Seite 5
(9) Ebd. Seite 11
(10) PAN Germany (2012): Tierarzneimittel und Umweltschutz. Zulassung und Verwendung von Tierarzneimitteln in der EU - Rechtlicher Rahmen und Empfehlungen für einen besseren Schutz der Umwelt vor Belastungen mit Tierarzneimitteln. 16 Seiten. Download unter http://www.pan-germany.org/download/tierarzneimittel/tierarznei-DE-130129-web.pdf
(11) Ebd. Seite 5
(12) Ebd. Seite 18

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