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Pestizid Aktions-Netzwerk e.V.

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Avermectine: Tödlicher Irrtum?

31.10.2012, Dr. Andreas Becker

Avermectine werden als Biozide, Pestizide und Tierarzneimittel angewendet. Sie dienen der Parasitenbekämpfung und zur Vorsorge gegen Milbenbefall z.B. in der Geflügelhaltung oder als Insektizide im Gemüse- und Zierpflanzenanbau. Der Tierarzt und Autor dieses Artikels Dr. med. vet. Becker warnt vor den katastrophalen Folgen des Einsatzes dieser Stoffe für Mensch und Tier. Er verweist auf ihr Anreicherungspotential und vertritt die Hypothese, dass Avermectine mit verantwortlich für die Entstehung von Prionkrankheiten wie BSE oder Formen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sind.

Die Avermectin-Neurotoxine erhöhen bei Wirbellosen die Membrandurchlässigkeit der Nerven- bzw. Muskelzellen für Chlorid-Ionen durch Bindung an Glutamat-aktivierte Chloridkanäle. Dadurch kommt es zur Hyperpolarisation der Zellmembran und zu einer Blo-ckierung der Erregungsüberleitung und damit Lähmung der Parasiten. Daneben beeinflussen Avermectine in höherer Dosierung auch die Rezeptoren für Gamma-Amino-Buttersäure (GABA) in Synapsen, die GABA als Neurotransmitter nutzen. Durch erhöhte Ausschüttung von GABA werden die betroffenen Schädlinge paralysiert und sterben.

Da GABA auch im Gehirn von Wirbeltieren vorkommt, können diese Wirkstoffe Nebenwirkungen und toxische Effekte auslösen, die sich in einer Abgeschlagenheit äußern. Vor allem Vögel (hier vor allem Finken und Wellensittiche) sowie Ratten und Tiere mit einem genetischen Blut-Hirnschranken-Defekt (MDR1-Defekt) reagieren empfindlich auf Avermectine. Betroffene Tiere reagieren mit starken neurotoxischen Nebenwirkungen auf Antiparasitika, Zytostatika, Durchfallmittel oder Antibiotika. Werden sie mit Ivermectin behandelt, gelangt von dem Wirkstoff bis zu 90-fach mehr ins Gehirn als bei Vergleichstieren mit intakter Blut-Hirn-Schranke.

Als Pestizide gegen Ekto- und Endoparasiten in der Tierhaltung und im Pflanzenanbau werden heute zunehmend Neurotoxine eingesetzt, die aus Fermentationsprodukten von im Boden lebenden Strahlenpilzen und Bakterien gewonnen werden. Hierzu gehören die makrozyklischen Laktone mit den Avermectinen genauso wie Spinosad. Diese Mittel bewirken über Aktivierung von bestimmten Ionenkanälen eine Lähmung der Parasiten. In höheren Konzentrationen beeinflussen sie auch deren GABA-Rezeptoren im peripheren Nervensystem.

Der physiologische Auslöser dieses dämpfenden bzw. inhibitorischen Rezeptors ist der Neurotransmitter GABA. GABA-Rezeptoren besitzen zudem Anbindungsstellen für Benzodiazepine/ Diazepam und Barbiturate. Alkohol erhöht die Affinität für GABA am Rezeptor. Gleichzeitige Stimulierung verschiedener Anbindungsstellen potenziert die GABA-Wirkung und führt zu einer durch Chlorionen-Einstrom bedingte Hyperpolarisation der Nervenzelle. Anders als bei Insekten, liegen bei Wirbeltieren und Mensch diese wichtigen hemmenden Rezeptoren im Zentralnervensystem (ZNS). Sie sind dort angeblich zweifach geschützt, weil erstens zur Erzielung einer Wirkung 100 bis 1000fach höhere Konzentrationen nötig sind und zweitens das ZNS durch eine intakte Bluthirnschranke geschützt wird.

Leider wähnen wir uns in beiden Punkten in einer falschen Sicherheit.

  1. Höchste Dosen können die Bluthirnschranke (BHS) überschwemmen und eine tödliche Vergiftung auslösen. Bei Hunderassen mit dem beschriebenen genetischen Bluthirnschrankendefekt (MDR1-Defekt) genügen bereits kleinste Mengen, um eine tödliche Vergiftung auszulösen. Sauerstoffmangel, Entzündungen, Tumore im Gehirn sowie Elektrosmog schwächen die BHS. Der Autor hat in einer Masterthesis gezeigt, dass Prionkrankheiten wie BSE oder Formen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit durch orale Langzeitaufnahme von makrozyklischen Laktonen, zu denen Avermectine zählen, entstanden sein könnten1 . Diese ganzheitliche, gut recherchierte Intoxikationshypothese findet jedoch bei führenden Prionforschern bislang keine Unterstützung.
  2. Es gilt die von dem niederländischen Toxikologen Henk Tennekes wieder in Erinnerung gerufene Haber`sche Regel: Bei Kumulations- oder Summationsgiften ist die erzeugte Wirkung das Produkt aus Konzentration und Einwirkzeit wenn keine Eliminierung oder Abbau des Wirkstoffs erfolgt. D.h. wenn die tödliche Menge eines solchen Giftes 365 Gramm pro Tag ist, tritt der Tod ebenso bei einer täglichen Aufnahme von 1 Gramm in einem Jahr ein. Bei der Zulassung des Avermectins "Ivermectin" durch die EMA (European Medicines Agency) wurde nur die akute Toxizität berücksichtigt. Bei einem 53-Wochen Versuch an Beagle Hunden mit dem Avermectin "Eprinomectin" wurden bereits 1994 neurodegenerative Veränderungen im Stamm- und Kleinhirn festgestellt.

Vor diesem Hintergrund sollten uns die folgenden zwei aktuellen Meldungen nachdenklich stimmen.

Laut Arzneimittelreport der Barmer GEK vom Juni 2012 werden in Deutschland an Frauen 2- bis 3-mal mehr Psychopharmaka (hauptsächlich Benzodiazepine, vor allem Diazepam) verordnet als an Männer. Gleichzeitig erkranken in Deutschland Frauen 1,5- bis 2-mal häufiger als Männer an der sporadischen Form der Creutzfeldt-Jakob -Krankheit. Der Verdacht liegt nahe, dass die Aktivierung des GABA-Rezeptors durch Benzodiazepine zum Auftreten der Prionkrankheit geführt hat.

90 Milliarden Dollar an Kosten können nach Aussage des neuen UN-Berichts (UNEP, 2012) allein in Subsahara-Afrika zwischen 2015 und 2020 durch Krankheiten entstehen, die durch Pestizide verursacht wurden. Auch die seit August 2012 verstärkt in den in den Medien diskutierte Nick-Krankheit könnte nach Auffassung des Autors dazu gehören. Die Nick-Krankheit, Nodding Disease oder besser Nodding Syndrom (NS) kommt nur in Süd-Sudan, Uganda und Tansania vor und nimmt dramatisch zu. Betroffen von der fast immer tödlich verlaufenden Krankheit sind vor allem Kinder im Alter von 5 bis 15 Jahren. Die Experten stehen vor einem Rätsel: 95% der Erkrankten waren auch mit dem Erreger der Flussblindheit kontaminiert. Trotzdem konnte kein Zusammenhang zwischen Onchozerkose und Nodding Syndrom hergestellt werden. Es spricht nichts für eine virale oder bakterielle Infektion, es sieht eher nach einer Intoxikation aus. Berücksichtigt werden sollte folgender Zusammenhang: Die betroffenen Staaten liegen in der Schnittmenge zweier Behandlungsprogramme: Bekämpfung der Flussblindheit mit Ivermectin durch das Mectizan Donation Program der Firma Merck und Bekämpfung der Epilepsie durch Programme der WHO. In diesen 3 Staaten kommt Epilepsie in Afrika am häufigsten vor und als antiepileptisches Medikament wird ausgerechnet Phenobarbital eingesetzt. Die potenzierte Wirkung von Ivermectin und Barbiturat am GABA-Rezeptor zerstört die Funktion des Hypothalamus. Die Symptome des Nodding Syndroms deuten auf eine Mischung aus Symptomen der BSE und einer Barbiturat-Vergiftung hin. Womöglich handelt es sich sogar um eine neue Prionkrankheit. Der Einsatz von Avermectin-Neurotoxinen gegen Schädlinge und Parasiten sollte vor diesem Hintergrund dringend überprüft werden. Das Fazit von Dr. Becker: "Das bisherige Verhalten der Verbraucherschutz- und Gesundheitsminister, die offenbar nicht gewillt sind, sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, das Fehlen investigativer Journalisten im Bereich der Medizinwissenschaft sowie das verständliche Desinteresse der Pharmaindustrie, die keinen Contergan in den Schatten stellenden Pharmaskandal aufkommen lassen will, lassen kaum Hoffnung aufkommen, dass wir auf eine solche Überprüfung des Avermectin-Einsatzes in naher Zukunft hoffen dürfen".

(Dr. Andreas Becker)


1 ttp://www.inter-uni.net/Komplementaerheilkunde#becker



Aus: PAN Germany Pestizid-Brief September/Oktober 2012

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