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Pestizide in Gewässern: Kein ausreichender Schutz trotz Zulassungsprüfung

30.06.2012, Susan Haffmans

Trotz Zulassungsprüfung ist die Biodiversität in Fließgewässern nicht ausreichend geschützt. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie der Universität Koblenz-Landau, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ), der Universität Aarhus (Dänemark) und der Technischen Universität Sydney2.

Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler mehrere weltweit verfügbare Freilandstudien aus, die Gewässer in landwirtschaftlich genutzten Gegenden untersuchten. Die Studien hatten Laufzeiten von 2,5 bis 36 Monaten und umfassten insgesamt 111 unterschiedliche Fließgewässer. Ausgewertet wurden Daten aus verschiedenen Ländern Europas, sowie aus Sibirien und Australien. Aus den Ergebnissen der einzelnen Studien leiteten die WissenschaftlerInnen einen Zusammenhang zwischen der Toxizität eines Pestizids und der Menge an empfindlichen Organismen im Gewässer ab. Die ermittelte Dosis-Wirkungs-Kurve erlaubt einen Vergleich mit den Konzentrationen, die im staatlichen Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel als unbedenklich gelten. Das Ergebnis zeigt: Der bestehende Bewertungsprozess reicht nicht aus, um das Ökosystem Fluss nachhaltig vor den negativen Auswirkungen von Pestiziden zu schützen. Bei Pestizid-Konzentrationen, die laut Zulassungsprüfung als unbedenklich gelten, wurde das Vorkommen empfindlicher Organismen um 27 bis 61 Prozent reduziert. Dabei konnten die negativen Effekte zum Teil abgepuffert werden, wenn es im Oberlauf der Flüsse unbelastete Fluss-Abschnitte gab. Dass die Pestizide zu einer Reduktion von Ökosystem-Funktionen führen können, sehen die Forscher als besonders kritisch an. Der Funktionsverlust kann zentrale sogenannte Ökosystemdienstleistungen beeinträchtigen und sich dadurch negativ auf Fischbestände und die Gewässerreinheit auswirken.

Den Grund für die Diskrepanz sehen die Wissenschaftler darin, dass bei der Zulassungsprüfung nur einzelne Pflanzenschutzmittel untersucht werden, in der Natur aber Stoffe nie isoliert sondern in Kombinationen auf die Organismen einwirken. Auch seien Tiere in der Natur vielen Stressoren ausgesetzt und die dadurch geschwächten Tiere reagierten empfindlicher auf Pestizide. Diese Zusammenhänge würden den Wissenschaftlern zufolge in den derzeitigen Standardverfahren im Zulassungsprozess nicht berücksichtigt. Die von den Forschern bestimmten Effektschwellen liegen um den Faktor 10 bis 100 niedriger als im Zulassungsprozess angenommen.

Die Ergebnisse der Studie sind besorgniserregend. Pestizide gehören selbst in großen Gewässern zu den wichtigsten Schadstoffen. Der zu erreichende "gute chemische und gute ökologische Zustand", der laut Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bis 2015 in den großen Gewässern zu erreichen ist, wird wohl Utopie bleiben und die Schädigungen aquatischer Organismen durch Insektizide weiter gehen. Es sei denn, die Ergebnisse werden ernst genommen und endlich notwendige Maßnahmen zum Schutz der Gewässer vor weiterer Belastung und Schädigung umgesetzt.

Da die WissenschaftlerInnen nicht davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit in der Landwirtschaft auf Pestizide verzichtet werden wird, empfehlen sie zum Schutz der Biodiversität in Flüssen die Ausweitung von Uferrandstreifen und Waldflächen in der Nähe pestizidbeeinträchtigter Flüsse, den Ausbau von Wasserrückhaltebecken, um Pestizide aus dem Wasser zu entfernen und eine allgemeine Verringerung des Pestizideinsatzes. Sie verweisen zudem auch auf die Ziele der EU-Richtlinie für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden.

Nachdem die sowohl von Umweltverbänden wie auch von der Wasserwirtschaft geforderten pestizidfreien Pufferstreifen an Gewässern bei der Novellierung des Pflanzenschutzgesetzes nicht durchzusetzen waren, ruhen die Hoffnungen nun auf der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik (CAP-Reform) und auf der Überarbeitung des Nationalen Aktionsplans für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden (NAP). Doch solange im Entwurf für den NAP konkrete Etappenziele fehlen, solange der NAP in Teilen hinter den gesetzlichen Vorgaben zurückbleibt, Kleingewässer nicht ausreichend berücksichtigt werden und sich die Schaffung von Gewässerschonstreifen auf Trinkwasserschutzgebiete und Naturschutzgebiete beschränkt, wird die Situation für unsere Gewässer sicherlich weiterhin problematisch und damit auch dringend verbesserungswürdig bleiben. 2

(Susan Haffmans)

1 Ralf B. Schäfer, Peter Carsten von der Ohe, Jes Rasmussen, Ben J. Kefford, Mikhail A. Beketov, Ralf Schulz and Matthias Liess (2012): "Threshold for the Effects of Pesticides on Invertebrate Communities and Leaf Breakdown in Stream Ecosystems". Environmental Science & Technology, 46, (9) 5134-5142. Siehe : http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/es2039882.
2 Vgl. hierzu Gemeinsames Positionspapier zum "Gewässerschutz" im NAP-Entwurf vom 30.11.2010" von PAN Germany, NABU, BUND, Greenpeace, Bioland & BÖLW online unter http://tinyurl.com/GewaesserschutzNAP

Aus: PAN Germany Pestizid-Brief Mai/Juni 2012

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